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DFB-Spannungsfelder zum 1000er-Jubiläum

Der Fußball muss wieder in den Mittelpunkt. So hieß es nach dem Katar-Debakel. Jetzt spielt die DFB-Elf ihr Jubiläumsspiel gegen die Ukraine in Bremen. Sportpolitische Ablenkung ist da unvermeidbar.

Rudi Völler Uwe Anspach/dpa

Bremen (dpa) - Die Legende vom deutschen Fußball-«Kaiser» und der Pfütze klebt an Bremen wie Teer an einem alten Fass im Hafen.

Umso erstaunlicher, dass der für Anekdoten so empfängliche einstige Werder-Stürmer Rudi Völler in seiner Funktion als DFB-Sportdirektor bei der Pressekonferenz des DFB vor dem großen Jubiläumsländerspiel der Nationalmannschaft gegen die Ukraine nicht auch noch an den unfreiwilligen Tritt von Franz Beckenbauer in ein Wasserloch auf dem Parkplatz vor dem Weserstadion erinnerte.

Verglichen mit den vielen folgenden sportpolitischen DFB-Querelen in den vergangenen Jahren war Beckenbauers nasser Fuß nur eine Petitesse mit Ulk-Potenzial. Bremen bekam angeblich deshalb keine WM-Spiele 2006. So weit, so schlecht für die Hansestadt.

Jubiläum gegen die Ukraine

Wenn die Nationalelf am Montag (18.00 Uhr/ZDF) das 1000. Länderspiel ihrer Geschichte absolviert, sorgt nun nicht nur der Gegner Ukraine für politische Nebengeräusche, die nach dem Katar-Desaster doch unbedingt vermieden werden sollten. Auch die Rückkehr nach Bremen nach mehr als elf Jahren birgt angesichts des immer noch nicht endgültig geklärten Rechtsstreits der Bremer Politik mit der Deutschen Fußball-Liga um die Übernahme von Polizeikosten bei Fußballspielen Konfliktpotenzial.

Nicht umsonst erläuterte Verbandspräsident Bernd Neuendorf gleich in seinem ersten Statement, worum es geht. Der DFB will Bremen nicht mehr mit einem «Bann belegen». Die fußballbegeisterte Region soll für die Heim-EM 2024 emotional abgeholt werden. Ganz Deutschland soll sich auf ein nächstes Sommermärchen freuen dürfen.

In Bremen taugt der Fußball-Konflikt aber allemal noch für parteipolitischen Clinch, der auch wieder auf den DFB zurückfällt. «Es ist ein Sieg des Sports, dass die Fußball-Nationalmannschaft nach vielen Jahren wieder in Bremen spielt», sagte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Aus den Reihen der Opposition wurde bei aller Länderspiel-Freude an die juristische Auseinandersetzung erinnert. «Ich sehe nicht, dass der Disput geheilt ist», sagte Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft.

Ende der «Eiszeit»

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der zum großen Gegenspieler der Fußball-Verbände wurde, sieht ein Ende der von den früheren DFB-Verantwortlichen «eingeläuteten Eiszeit». Er betonte aber auch, dass er in der Sache hart bleiben werde. «Wir haben den Rechtsstreit bis in die höchsten Instanzen gewonnen. Wenn die DFL jetzt auch noch das Bundesverfassungsgericht bemühen will, dann werden wir uns auch dort noch mal begegnen», sagte Mäurer. Neuendorf will alle Rechtsbelange zumindest am Montag ausgeklammert sehen.

Das klingt schon wieder nach politischen Schlagzeilen. Dabei sollten diese im Vorlauf zur Heim-EM 2024 vermieden werden. Hansi Flick will als Bundestrainer in größtmöglicher Ruhe den Weg aus der sportlichen DFB-Krise finden. Sicherheitshalber machte Völler klar, dass der Sport Priorität genieße. Flick soll gegen die Ukraine einen echten EM-Test absolvieren dürfen und keine gesellschaftspolitische Show. «Die werden alles geben und wir auch», wiegelte Völler den sogar von Neuendorf herausgestellten Eindruck eines Freundschaftsspiels ab. «Für die Politik sind andere ausgebildet», formulierte Bundestrainer Flick seine Sichtweise.

Wie kompliziert das Ukraine-Thema abseits der löblichen Friedenssymbolik und Spendensammlungen ist, bekam der DFB kürzlich nach den hochumstrittenen Äußerungen seines Vizepräsidenten Hermann Winkler in den sozialen Netzwerken zu spüren. Sachsens Fußballchef mokierte sich als Berlin-Tourist über Einschränkungen durch den Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Wenige Worte reichen, um den Fokus vom Sportlichen abzulenken. Das war eigentlich eine der Katar-Lehren.

Lange nicht mehr in Bremen

Der DFB hätte es einfacher haben können. Ein Spiel gegen einen namhaften Gegner am Verbandssitz in Frankfurt oder am Gründungsort Leipzig wäre möglich und dem Ereignis angemessen gewesen. Brasilien, zum Beispiel, spielt seine Juni-Tests in Europa gegen Guinea und den Senegal. DFB-Premierengegner Schweiz spielt, wie die Ukraine, auch erst am folgenden Freitag wieder in der EM-Qualifikation.

Das letzte Tor für Deutschland im Weserstadion erzielte Claudemir Jerônimo Barreto, besser bekannt als Cacau. Ein Indiz dafür, dass in Bremen lange kein Länderspiel mehr stattfand. Nach dem 1:2 gegen Frankreich am 29. Februar 2012 gab es einen Bremen-Bann durch den DFB. Neuendorf versuchte sich schon bei der Terminankündigung im Verbal-Spagat.

«Bremen gehört für den DFB auf die Landkarte des Fußballs - unabhängig von unterschiedlichen Auffassungen mit dem Senat zu einzelnen politischen Sachthemen», sagte der 61-Jährige. Der große Fußball ist ohne Politik offenbar nicht zu haben. Flick kann sich vor dem Sommerurlaub ab Dienstag noch auf zwei weitere EM-Tests in Warschau gegen Polen (16. Juni) und in Gelsenkirchen gegen Kolumbien (20. Juni) vorbereiten, mit spätestens dann größtmöglicher Konzentration auf den Fußball.

© dpa-infocom, dpa:230609-99-997411/4

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