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Gegner der Wahlrechtsreform bereiten Klage vor

Der Bundespräsident hat das Gesetz zu der umstrittenen Reform des Wahlrechts unterzeichnet. Doch es steht bereits fest: Dies wird nicht das Ende der Auseinandersetzung sein. Funkt Karlsruhe dazwischen?

Alexander Dobrindt Kay Nietfeld/dpa

Berlin (dpa) - Nach der Unterzeichnung des Gesetzes zur umstrittenen Wahlrechtsreform durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bereiten deren Gegner den Gang nach Karlsruhe vor. «Wir werden alle Hebel nutzen, damit diese Manipulation des Wahlrechts gestoppt wird», erklärte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt. Man werde umgehend eine Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen. «Wir lassen nicht zu, dass die Ampel-Regierung Bayern strukturell schwächt», sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der «Rheinischen Post» dazu.

Allerdings hatte das Bundespräsidialamt am Donnerstag deutlich gemacht, dass Steinmeier das Gesetz für verfassungskonform halte und keine verfassungsrechtlichen Bedenken habe. Es verwies darauf, dass der Gesetzgeber nach dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts frei in der Ausgestaltung des Wahlrechts sei. Politische Erwägungen seien nicht Gegenstand der Prüfung bei der Ausfertigung von Gesetzen. Bedauert wurde aber, dass für die Reform kein breiter politischer Konsens gefunden worden sei.

Auch auf EU-Ebene keine Bedenken

Zu einem ähnlichen Urteil kommt auch die vom Europarat eingerichtete Venedig-Kommission, die Staaten in Verfassungsfragen einschließlich des Wahlrechts berät. Sie beriet am Freitag über die Änderungen am deutschen Wahlrecht. Ein Bericht hierzu kommt zu dem Schluss, dass die Reform im Einklang mit den internationalen Wahlrechtsstandards stehe. Kritisch angemerkt wurde aber auch hier, dass eine breite Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg fehle.

«Wir sind von der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überzeugt», sagte der Grünen-Wahlrechtsexperte Till Steffen, der die Reform in der Sitzung der Kommission vorstellte. Die Regierungsfraktionen seien immer wieder ernsthaft auf die Union zugegangen, um einen möglichen Kompromiss auszuloten. «Leider ergebnislos», sagte Steffen.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, erklärte, Steinmeiers Unterschrift «beendet die Blockade der Union mit zahlreichen Querschüssen durch die CSU, die über Jahre nur ihren eigenen Vorteil im Blick hatte».

Ziel: Verkleinerung des Bundestags

Die auf eine Verkleinerung des Bundestags abzielende Reform kann nach der am Donnerstag erfolgten Unterzeichnung durch Steinmeier in Kraft treten. Das Gesetz muss nur noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Jedoch haben die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die CSU-geführte bayerische Landesregierung und die Linke bereits angekündigt, gegen die Reform vor dem Bundesverfassungsgericht vorzugehen.

Mit derzeit 736 Abgeordneten ist der Bundestag das größte frei gewählte Parlament der Welt. Das neue Wahlrecht deckelt die Sitzzahl nun bei 630. Gewählt wird weiter mit Erst- und Zweitstimme. Es gibt aber keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr. Überhangmandate entstanden bisher, wenn eine Partei über Direktmandate mehr Sitze im Bundestag gewann als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustanden. Diese durfte sie behalten. Die anderen Parteien erhielten dafür Ausgleichsmandate. Dieses System führte zu einer immer größeren Aufblähung des Bundestags.

Für die Zahl der Sitze einer Partei ist künftig allein ihr Zweitstimmenergebnis entscheidend. Das kann zur Folge haben, dass erfolgreiche Wahlkreisbewerber ihr Direktmandat nicht bekommen. Auch die Grundmandatsklausel fällt weg. Nach ihr zogen Parteien bisher auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate holten.

Davon profitierte bei der Bundestagswahl 2021 die Linke, die bundesweit nur auf 4,9 Prozent kam, aber drei Direktmandate errang. Auch die CSU könnte davon bei kommenden Wahlen betroffen sein. Sie kam 2021 bundesweit nur auf 5,2 Prozent der Zweitstimmen, holte aber in 45 von 46 bayerischen Wahlkreisen das Direktmandat. Diese Sitze würde die CSU nach dem neuen Recht bei einem Sturz unter die Fünf-Prozent-Marke nicht mehr bekommen.

© dpa-infocom, dpa:230609-99-992068/6

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