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Psychologie: Können Traumata von Eltern vererbt werden?

Traumatische Erlebnisse können nicht nur das Leben der direkt Betroffenen prägen, sondern auch über Generationen hinweg weitergegeben werden.

Therapiesitzung Gesundheit Foto: Alexis S/peopleimages.com

Traumatische Erlebnisse können tiefgreifende Auswirkungen haben, die nicht nur die direkt Betroffenen, sondern auch nachfolgende Generationen betreffen. Forschungen deuten darauf hin, dass Traumata sogar epigenetisch vererbt werden können, wodurch sie das Erbgut beeinflussen.

Was ist ein transgenerationales Trauma?

Ein transgenerationales Trauma bezeichnet die Weitergabe traumatischer Erfahrungen an nachfolgende Generationen. Die Symptome können vielfältig sein und umfassen unter anderem Schuldgefühle, Ängste und tiefe Verunsicherung, ohne dass die Betroffenen das Trauma selbst erlebt haben.

Studien aus der Holocaust-Forschung und der Forschung mit Kriegsveteranen zeigen, dass Traumata mindestens bis zur dritten Generation weitergegeben werden können, so die Hilfsorganisation "medica mondiale".

Wie entsteht es und welche Symptome haben Betroffene?

Die Entstehung eines transgenerationalen Traumas basiert auf unverarbeiteten, oft tabuisierten traumatischen Erfahrungen, die sich auf den Umgang der Betroffenen mit ihren eigenen Kindern auswirken können. Symptome können sich durch Reaktionsweisen, Vermeidungsverhalten und den Umgang mit emotionaler Nähe und Distanz manifestieren. Studien in der Epigenetik legen nahe, dass Traumata sich über epigenetische Wirkmechanismen auf die Gene auswirken und somit an nachfolgende Generationen weitergegeben werden können. Beispielsweise wurde bei Kindern von Überlebenden des World Trade Center-Anschlags eine niedrige Cortisol-Produktion festgestellt, was mit einer Anfälligkeit für posttraumatische Belastungsstörungen in Verbindung gebracht wird. Cortisol ist ein Hormon, das vom Körper produziert wird und eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Stoffwechsel, Immunsystem und Stressreaktion spielt.

Wie bauen sich Traumata auf?

Traumata können sich anhäufen und werden in der Gegenwart oft durch ähnliche Situationen oder Trigger aktiviert. Ein Beispiel ist die Isolation während der Corona-Pandemie, die Kindheitserfahrungen von Vernachlässigung wieder aufleben lassen kann, erklärt die Psychoanalytikerin Galit Atlas in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Auch scheinbar harmlose Trigger können tieferliegende Ängste aktivieren. Der Begriff "Trigger" kommt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich übersetzt "Auslöser". In der Psychologie und Psychotherapie bezeichnet ein Trigger einen äußeren Reiz, eine Situation oder ein Erlebnis, der bzw. das eine intensive emotionale Reaktion oder Erinnerung hervorruft, die mit einem früheren Trauma oder einer belastenden Erfahrung verbunden ist. Diese Reaktion kann sich in Form von Angst, Panik, Wut oder anderen starken Emotionen zeigen. Zum Beispiel kann die Entscheidung des Partners für eine Therapie bei jemandem die Angst vor Verlassenwerden auslösen. Diese Angst kann oft auf intergenerationale Traumata zurückgeführt werden, sodass oft mehrere Generationen in der Therapiesituation vertreten sind.

Was kann man dagegen tun?

In der Familie

Transgenerationale Traumatisierung in Familien sollte behutsam angesprochen werden, da das Schweigen der Betroffenen ein Schutzmechanismus ist. Für einen Wandel sind Vertrauen, Sicherheit und Erzählraum wichtige Faktoren. Es kann hilfreich sein, persönliche Fragen und Zweifel in passenden Rahmen, wie Selbsthilfegruppen oder Therapien, zu bearbeiten. Spezifische Therapien für transgene rationale Traumatisierung sind noch selten, doch immer mehr Therapeuten integrieren das Thema in Traumatherapien.

Bei der Betrachtung von transgene rationalen Traumata geht es nicht um Schuldzuweisungen an die Eltern, sondern um das Verständnis ihrer eigenen Traumaerfahrungen. Trotz guter Absichten können Eltern unbewusst durch ihre eigenen Traumata die Erziehung beeinflussen, was für sie schmerzhaft sein kann. Eine Therapie für Eltern kann hilfreich sein, ersetzt jedoch nicht immer die Notwendigkeit einer eigenen Therapie für die Kinder.

Verhinderung der Weitergabe von Traumata

Zur Verhinderung der Weitergabe von Traumata ist frühzeitige Verarbeitung essenziell, unterstützt durch anerkennende soziale Umfelder und sichere Kommunikationsräume. Eine stress- und traumasensible Haltung fördert ein stützendes Umfeld für Betroffene. 

Vom Staat

Staatliche Interventionsmöglichkeiten umfassen den Ausbau niedrigschwelliger Beratungs- und Therapieangebote. Gesellschaftlich ist es wichtig, das Unrecht anzuerkennen, aktuelle Lebenssituationen der Überlebenden zu berücksichtigen und sowohl Trauma als auch Überlebensstärke zu würdigen

Hinweis Hilfsangebote

Bei psychischen Problemen ist professionelle Hilfe wichtig. Kostenlose Beratung gibt es bei der Telefonseelsorge unter 0800 / 1110111 und für Jugendliche unter 116111. Weitere Beratungsstellen könnt ihr bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung finden.

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