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Gertrud Lauterbach und was am Morgen geschah

Der Tag des Überfalls auf die israelische Olympiamannschaft, streckenweise minutengenau rekonstruiert: Es ist keine trockene Zeitleiste, die dabei herauskommt, sondern ein Protokoll dramatischen Scheiterns. Schon in den ersten Minuten unterläuft der Polizei ein folgenschwerer Fehler.

Das Olympische Dorf in München Foto: Peter Kneffel/dpa

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Geheimakte: 1972 – Episode 6 "Gertrud Lauterbach und der Überfall"

Christoph Lemmer Porträt Foto: ANTENNE BAYERN

Mein Name ist Christoph Lemmer und ich bin Investigativ-Journalist. In der Vergangenheit habe über den NSU-Prozess für die Nachrichtenagentur dpa berichtet und für die ANTENNE BAYERN mehrere große Podcasts produziert, darunter einen über den Anschlag auf das Olympia-Einkaufszentrum und einen preisgekrönten über den Fall Peggy und ein falsches Mordurteil. In diesem Podcast der ANTENNE BAYERN GROUP öffnen wir 50 Jahre nach dem Olympia-Attentat in München gemeinsam die „Geheimakte: 1972

Christoph Lemmer

Die Ereignisse des 5. September erzählen wir in den drei Episoden 6, 7 und 8 von Geheimakte 1972. Episode 6, die erste dieses Tages, geht genau 50 Jahre nach dem Beginn des Anschlags online. Sie erzählt, was am Morgen geschah, basierend auf Zeugenaussagen – überlebende israelischer Sportler, Terroristen und Gertrude Lauterbach, die stundenlang zwischen Terroristen und Behörden vermittelte.

4:00 Uhr: Der Überfall auf das israelische Olympiateam beginnt

4:10 Uhr: Drei Postbeamte beobachten die Terroristen beim Überklettern des Tores. Sie schildern ihre Beobachtung noch am frühen Morgen ihrem Vorgesetzten. Der ruft sofort die Polizei an – die nicht reagiert.

4:45 Uhr: Gertrud Lauterbach vom Ordnungsdienst des Olympischen Dorfes beginnt ihren Rundgang. Wenig später hört sie Schüsse. Kurz danach steht sie vor dem Haus der israelischen Mannschaft und übernimmt den direkten Kontakt zwischen den Terroristen und den deutschen Behörden.

In den ersten Minuten des Überfalls gehen die Terroristen hektisch und brutal vor. Gewaltsam erobern sie eine Wohnung der Israelis. Sie bilden ein spontanes Unterkommende, das durchs Haus zieht und eine zweite Wohnung überfällt. Deren Bewohner zwingen sie mit vorgehaltener Waffe in die erste Wohnung. Dort wehren sich einige der Geiseln. Die Terroristen schießen um sich. Erst erschießen sie eine ihrer Geiseln, wenig später die nächste.

Die Polizei hat keine Ahnung, was drinnen passiert. Nur eine Person liefert Informationen: Gertrud Lauterbach. Sie ist Kriminalbeamtin aus Nordrhein-Westfalen und nach München abgeordnet, um als Olympia-Hostess im Olympischen Dorf zu arbeiten. Auf einem Streifengang bekommt sie mit, dass im Haus der Israelis geschossen wird. Sie nähert sich. Am Fenster sieht sie den Anführer, Issa. Der spricht sie an. So schildert Gertrud Lauterbach die erste Begegnung:

Er verlangte von sämtlichen anwesenden Männern, dass sie sich nun endgültig entfernen. Mir befahl er geradezu, dass ich bei ihm bleiben müsste. Er wollte sogar, dass ich ihm ins Haus folge. Ich habe ihn aber dann darauf aufmerksam gemacht, dass es doch zweckmäßiger sei, wenn ich vor dem Haus verbliebe, weil hier die Funkverbindung günstiger sei und ich seinen Wünschen eher nachkommen könnte. Damit war er einverstanden.

In dem nun folgenden Gespräch teilte mir der Araber mit, dass sie ca. 20 - 25 Israelis als Geiseln hätten, die gefesselt seien und erschossen würden, wenn man ihren Forderungen nicht entspräche. Ich versuchte daraufhin ihn zu beruhigen. Zwischen unseren Gesprächen begab er sich mehrfach wieder ins Haus.

Ich jedoch blieb in unmittelbarer Nähe des Hauses, wenn ich mich auch ab und zu ein wenig hin und her bewegte.

Bis 8:35 Uhr bleibt Gertrud Lauterbach vor dem Haus. Dann wird sie abgelöst – von ihrer Kollegin Anneliese Graes. Das Protokoll der Anneliese Graes ist die Basis der Episode 7. 

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