«Moi Aussi»: Film über zweite MeToo-Welle in Frankreich
In Frankreich ist seit einigen Monaten eine neue MeToo-Welle entbrannt. Ausgelöst wurde sie von der Schauspielerin Judith Godrèche - die in Cannes einen Film zum Thema vorstellte.
Cannes (dpa) - «Moi aussi» ist der Titel eines neuen Kurzfilms, der Einblick in die aktuelle MeToo-Debatte in Frankreich gibt. Das Werk von Judith Godrèche feierte Premiere bei den Filmfestspielen Cannes.
Es zeigt Menschen, die ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch schildern. Godrèche hat die Stimmen von Leuten gesammelt, die sie kontaktiert hatten, nachdem die Schauspielerin öffentlich sexuellen Missbrauch in der Filmbranche angeprangert hatte. Die 52-Jährige löste damit in Frankreich eine neue MeToo-Welle aus.
«Moi aussi» (frz. für «Me Too») zeigt um die 1000 Menschen in einer Straße in Paris. Sie halten sich die Hände vor den Mund, später umarmen sie sich oder interagieren auf andere Weise miteinander. Zwischen der Menge - hauptsächlich Frauen - ist Godrèches Tochter zu sehen. Sie imitiert die Gesten der Versammelten, tanzt langsam durch die Menge. Vielleicht will sie einen körperlichen Ausdruck für den Schmerz finden, der aus den Geschichten spricht, die als Voice-Over eingeblendet werden. «Ich war 19, er war berühmt...», sagt eine Stimme aus dem Off etwa.
5000 Berichte über sexuellen Missbrauch in 15 Tagen
Godrèche wirft den französischen Regisseuren Benoît Jacquot und Jacques Doillon sexuellen Missbrauch vor. Ihre Vorwürfe - die die Regisseure bestreiten - beziehen sich auf die 80er Jahre, als sie eine Teenagerin war. Bei der Vergabe des César-Filmpreises hielt sie im Februar eine Rede gegen sexuellen Missbrauch in der Filmbranche.
Ebenfalls im Februar richtete sie eine E-Mail-Adresse für Betroffene ein, wie sie im Film erzählt. «In 15 Tagen erhielt ich 5000 Geschichten», resümiert sie. Auszüge davon sind nun in «Moi Aussi» zu hören. Gestern kam Godrèche mit einem Teil des Filmteams auf den roten Teppich in Cannes. Dort hielten sie sich ebenfalls die Hände vor den Mund.
Vorwürfe gegen französischen Produzenten
Seit Februar haben viele Leute in der französischen Filmbranche über sexuellen Missbrauch gesprochen. Erst am Montag berichtete die französische Ausgabe des Magazins «Elle», dass neun Frauen dem in Frankreich bekannten Produzenten Alain Sarde Vergewaltigung oder sexuelle Belästigung vorwerfen. Ein Anwalt des Beschuldigten dementierte die Vorwürfe.
Frankreichs Nationalversammlung hat als Reaktion auf die aktuelle Debatte kürzlich eine Untersuchungskommission zur Lage Minderjähriger in bestimmten Kulturbereichen geschaffen.
Berichte: Depardieu verzichtet auf Sprecher-Rolle in Festival-Film
Unterdessen muss sich auch der französische Schauspieler Gérard Depardieu im Oktober vor Gericht verantworten. Er wird wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe in zwei Fällen im September 2021 angeklagt. Bereits seit 2020 lief zudem ein Ermittlungsverfahren gegen den 75-Jährigen wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. Ob auch in diesem Fall ein Prozess folgt, ist noch unklar. Seit Jahren schon melden sich immer wieder Frauen zu Wort, die Depardieu der sexuellen Gewalt beschuldigen.
Der berühmte Schauspieler sollte Berichten zufolge ursprünglich als Sprecher in einem Film des diesjährigen Wettbewerbs des Festivals zu hören sein. Laut mehreren französischen Medien verzichtete er nach Bekanntwerden der neuen Vorwürfe vor einiger Zeit auf seinen Part im Animationsfilm «La Plus Précieuse des marchandises» von Michel Hazanavicius («The Artist»).
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