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Erdogans Erzfeind Fethullah Gülen in den USA gestorben

Der türkische Geistliche Gülen ist in den USA gestorben. Die Türkei macht ihn für den Putschversuch 2016 verantwortlich. Der einstige Verbündete Erdogans galt in der Türkei später als Staatsfeind.

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Fethullah Gülen Matt Smith/dpa

Istanbul/Berlin (dpa) - Der türkische Islamgelehrte Fethullah Gülen, den die Türkei für den Putschversuch 2016 verantwortlich macht, ist in den USA gestorben. Der 83-jährige Geistliche sei am Sonntagabend in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Pennsylvania gestorben, erklärte der Vorsitzende der Stiftung Dialog und Bildung, Ercan Karakoyun. Die Stiftung ist der deutsche Ableger der transnationalen Gülen-Bewegung, die in Deutschland unter anderem Schulen, Nachhilfezentren und Kindergärten betreibt. 

Aus der Bewegung hieß es, Gülen sei schon seit einigen Jahren gesundheitlich angeschlagen gewesen. Die Stiftung würdigte Gülen als einflussreichen muslimischen Gelehrten. 

Auch der türkische Außenminister Hakan Fidan bestätigte in Ankara den Tod des islamischen Predigers. Er nannte Gülen den «Anführer einer dunklen Organisation». Türkische Medien nahmen die Nachricht über Gülens Tod euphorisch auf und bezeichneten ihn teils als Vaterlandsverräter.

Gülen, der seit 1999 in den USA lebte, wird von der Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als Staatsfeind betrachtet. Erdogan hält ihn für den Drahtzieher des Putschversuchs von 2016 in der Türkei und hat von den USA immer wieder seine Auslieferung gefordert. Gülen, der bis zum öffentlichen Bruch 2013 mit Erdogan verbündet war, hatte seine Beteiligung stets abgestritten und warf Erdogan vor, den Putsch selbst inszeniert zu haben. 

Mehr als 200 Tote bei Putschversuch

Am 15. Juli 2016 hatten Teile des Militärs gegen die Regierung von Präsident Erdogan geputscht. In Istanbul und der Hauptstadt Ankara gab es schwere Gefechte zwischen Putschsoldaten und regierungstreuen Sicherheitskräften. Die Putschisten setzten Panzer und Kampfjets ein. Sie feuerten unter anderem auf Zivilisten, die sich den Soldaten entgegenstellten und damit einem Aufruf Erdogans folgten. Auch das Parlamentsgebäude in Ankara wurde beschossen. Der Aufstand wurde schließlich niedergeschlagen. Mehr als 200 Menschen starben, mehr als 2.000 Menschen wurden verletzt.

Unter dem Ausnahmezustand, den Erdogan anschließend ausrief und der erst im Juli 2018 endete, ging die Regierung gegen mutmaßliche Putschisten und Anhänger von Gülens Netzwerk, der sogenannten Hizmet-Bewegung, aber auch gegen Oppositionelle vor. Per Dekret wurden damals mehr als 100.000 Staatsbedienstete entlassen und Zehntausende Menschen verhaftet. In der Türkei ist die von Gülen gegründete Bewegung als Terrororganisation eingestuft. Ihr deutscher Ableger wird von den deutschen Sicherheitsbehörden nicht als extremistische Bestrebung eingestuft und daher auch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Die Hintergründe des Umsturzversuchs sind bis heute nicht vollständig aufgearbeitet. BND-Chef Bruno Kahl hatte in einem «Spiegel»-Interview 2017 gesagt, dass der BND nicht davon überzeugt sei, dass Gülen hinter dem Putschversuch stecke. Der frühere Investigativjournalist und heutige Politiker Ahmet Sik, der als Kenner der Bewegung gilt, geht dagegen davon aus, dass Gülen mit anderen Gruppen eine Allianz im Militär gebildet hatte. 

Prediger gründete ein weitreichendes Netzwerk

Gülen kam als Sohn eines Dorf-Imams in der osttürkischen Provinz Erzurum zur Welt. Er widmete sich früh religiösen Studien. Als Prediger sprach er oft vor Schülern und Studenten, zunächst nur in der Türkei, später auch im Ausland. Das von ihm gegründete Netzwerk ist in vielen Ländern aktiv. Ziel der Bewegung ist es, Muslime über Bildungseinrichtungen, Medien und Vereinsarbeit für eine fromme Lebensweise zu gewinnen. Teilweise gehörten prominente Figuren in der Türkei zu Gülens Anhängern, etwa der frühere türkische Fußball-Nationalspieler Hakan Sükür, der sich in der Vergangenheit offen zu seiner Sympathie bekannt hatte. 

In der Türkei stiegen Gülen-Anhänger jahrelang in Schlüsselpositionen auf. Gülen und Erdogan hatten zeitweise ähnliche Ziele: die politische Macht des säkular geprägten Militärs zurückdrängen und dem frommen Teil der Gesellschaft zum Aufstieg verhelfen. 

Kritiker wie Ahmet Sik warnten schon vor dem Putschversuch vor einer Unterwanderung staatlicher Institutionen durch Gülen. Ziel der Gülen-Bewegung sei es gewesen, die Bürokratie des Staates zu übernehmen und den Sicherheitsapparat zu kontrollieren. Sik kritisierte auch die jahrelange Förderung Gülens durch Erdogans AKP. Sein Buch «Die Armee des Imams», in dem er auf die Gefahren hinwies, wurde 2011 noch vor der Veröffentlichung beschlagnahmt. 

Im Zuge der berüchtigten Ergenekon-Prozesse, bei denen kemalistische Offiziere und kritische Intellektuelle vor Gericht gestellt wurden, geriet auch Sik ins Visier und landete zwischenzeitlich im Gefängnis. Er beschuldigte Gülen nahestehende Richter und Staatsanwälte, die Prozesse initiiert zu haben.

Machtkampf führt zum Bruch

Nach einem Machtkampf zwischen dem islamischen Prediger und Erdogan kam es 2013 zum Bruch. Erdogan bezichtigte die Gülen-Bewegung, einen Korruptionsskandal angefacht zu haben, durch den auch mehrere führende Politiker aus Erdogans Umfeld in Bedrängnis gerieten. 

Der stellvertretende Sprecher der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe des Bundestags, Macit Karaahmetoglu (SPD), erinnerte an die frühere Zusammenarbeit zwischen Gülen und Präsident Erdogan. Der SPD-Abgeordnete sagte, für Erdogan dürfte der Tod seines Widersachers «vor allem Erleichterung bedeuten». Es bleibe daher zu hoffen, dass Erdogans «politischer Kurs sich durch den Tod Gülens etwas entspannt».

Gülens Aufenthalt in den USA war ursprünglich mit einer medizinischen Behandlung begründet worden. Er lebte dort zurückgezogen und gab nur selten Interviews. Von der deutschen Stiftung Dialog und Bildung, hieß es, die Hizmet-Bewegung werde auch in Zukunft fortbestehen.

© dpa-infocom, dpa:241021-930-266096/3