Zum Hauptinhalt springen

Teilen:

Jubel im Himmel: Das Meisterwerk von PSG und Luis Enrique

Beim PSG-Triumph in der Champions League überragt ein Teenager, Inter wird demontiert. Große Gefühle prägen den Münchner Abend. Vor allem eine Hommage an die tote Tochter von Coach Enrique berührt.

ANTENNE BAYERN ANTENNE BAYERN GmbH & Co. KG
Paris Saint-Germain - Inter Mailand Oryk Haist/dpa

München (dpa) - Mehr Gänsehaut geht nicht. Mitten in der Ekstase über den historischen Champions-League-Triumph von Paris Saint-Germain streift sich Luis Enrique ein T-Shirt für seine gestorbene Tochter Xana über. Fans entrollen ein riesiges Banner zu Ehren des geliebten Coaches und des Mädchens, das der Knochenkrebs viel zu früh aus dem Leben gerissen hatte. «Xana ist immer bei uns, wir denken immer an sie. Wir lieben sie», erzählt Enrique noch auf dem Rasen der Münchner Arena. «Ich denke, dass sie hier unter uns rennen würde.»

Das atemberaubende 5:0 von PSG um Matchwinner Désiré Doué im Königsklassenfinale gegen Inter Mailand war ein Abend der Emotions-Extreme. Da war Luis Enrique in einem Mix aus Freudentaumel über seinen zweiten Königsklassen-Coup und zugleich der Erinnerung an Xana. Auf der anderen Seite blickte ein völlig perplexer Trainer-Kollege Simone Inzaghi nach der gewaltigen Blamage ins Leere und ließ seine Zukunft bei Inter offen.

Da war der 19-jährige Doué, um den sich im Sommer 2024 der FC Bayern vergeblich bemüht hatte und der nun ausgerechnet in München mit zwei Toren und einer Vorlage brillierte. Leidtragender war Bayerns Ex-Keeper Yann Sommer, der Inters Schmach nicht verhindern konnte.

Euphorie in Frankreich: «Hier ist das Paradies»

Ins Bild schob sich auch der umstrittene PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi, der den silbernen Henkelpott in die Luft reckte, noch ehe die meisten seiner Spieler diesen in der Hand hatten. Verdattert zuschauen mussten die Mailänder, bei denen DFB-Nationalspieler Yann Aurel Bisseck nur Minuten nach seiner Einwechslung verletzt wieder runter musste und später aus der Arena humpelte.

«Hier ist das Paradies», titelte Frankreichs Sportblatt «L'Équipe» am Tag nach dem Endspiel in Anlehnung an ein berühmtes PSG-Motto. Ins Paradies geführt worden waren die Franzosen vor allem von einem Mann: Coach Enrique. «Er hat alles verändert. Er hat eine andere Art, Fußball zu sehen», sagte der ehemalige Dortmunder Achraf Hakimi, der den Torreigen mit seinem 1:0 eröffnet hatte. «Nach all dem, was er erlebt hat, ist es großartig, dass er das erleben kann. Er verdient es wie kein anderer.»

Berührende Hommage der PSG-Fans für Xana Enrique

Vor zehn Jahren hatte Ex-Profi Enrique den FC Barcelona in Berlin zum Sieg in der Champions League geführt. Ein Bild von damals, wie er neben Tochter Xana eine Siegerfahne in den Rasen steckt, griffen die PSG-Anhänger nun in München auf und erinnerten mit dem großen Banner an jene Szene. Xana war im August 2019 im Alter von neun Jahren an Knochenkrebs gestorben.

«Die Fans haben mir und meiner Familie eine große Freude bereitet», sagte Enrique. «Ich denke jeden Tag an meine Tochter, auch wenn ich keine Titel gewinne. Meine Tochter ist immer bei uns. Sie unterstützt mich, auch wenn ich keine Titel gewinne. Ich fühle ihre Anwesenheit» Auch das spanische Sportblatt Marca erinnerte an Xana und titelte am Sonntag: «Im Himmel wurde gefeiert.»

Erst Bayern-Absage, dann Final-Coup: Teenager Doué überragt

Luis Enrique ist der siebte Trainer nach Carlo Ancelotti, Ernst Happel, Jupp Heynckes, Ottmar Hitzfeld, José Mourinho und Pep Guardiola, der Europas Club-Krone mit zwei verschiedenen Vereinen gewinnt. Keiner von den anderen hat ein derart dominantes Finale erlebt - das 5:0 war der höchste Endspielerfolg in der Geschichte der europäischen Königsklasse.

Entscheidenden Anteil daran hatte Super-Teenager Doué mit seiner klugen Vorlage zu Hakimis frühem 1:0 und den zwei danach selbst erzielten Treffern. Was wohl die Bayern-Granden um Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß auf der Ehrentribüne gedacht haben? Vor der Saison bemühte sich der deutsche Rekordmeister intensiv um den Teenager, der sich aber für einen Wechsel von Stade Rennes zu PSG entschied. «Ich kann das nicht in Worte fassen. Es ist etwas Magisches», sagte der Stürmer, der am Dienstag 20 Jahre alt wird, zu seiner großen Show.

Pariser Erfolgsformel: Hungriges Team statt großer Namen

Doué ist das Gesicht des neuen PSG, nachdem der vermeintliche Heils- und Henkelpottbringer Kylian Mbappé den Club vor der Saison verlassen hatte. Die Zeitung «Le Figaro» schrieb von «sicherlich dem Jahr, in dem wir es am wenigsten erwartet hatten, als PSG nach der Ära der Stars auf Jugend, Teamgeist und Geduld setzte». Das zählte mehr als Namen wie Mbappé, Lionel Messi oder Neymar, mit denen die Champions-League-Krönung missglückte.

Mit einem der jüngsten Kader in dieser Saison hat Paris gute Aussichten, auch in den nächsten Jahren ein Protagonist in Europas Fußball zu bleiben. Zumal selbst jemand wie Ousmane Dembélé, der vor Jahren noch als undiszipliniert und launisch galt, im Finale eine aufopferungsvolle Leistung bot.

Wie eine Warnung konnte Doués Analyse interpretiert werden, dass sich viele Spieler im Team noch steigern müssten, «und ich gehöre dazu». Als nächstes steht die Club-WM an.

Bemerkenswerte Szene mit PSG-Boss Al-Khelaifi

Dass Paris aber nach wie vor auf eine fürstliche Finanzierung aus Katar setzen kann, das wurde in einer für viele befremdlichen Szene deutlich. Noch auf dem Siegerpodium durfte Clubchef Al-Khelaifi den Pokal vor vielen Spielern in die Luft stemmen. Dann wurde der Katari auch noch auf Schultern gehoben. «Wahnsinn», sagten die ZDF-Experten Christoph Kramer und Per Mertesacker missbilligend.

Als die PSG-Kicker noch lange auf dem Rasen feierten und Hunderte ihrer Fans bei einem kurzen Platzsturm Teile des Rasens und ein Tor malträtierten, waren die Inter-Spieler schon in der Kabine verschwunden. «Das war ein schlimmer Abend», analysierte Nationalspieler Nicolò Barella. Italiens Zeitungen schrieben kollektiv von einem «Alptraum» und einer «Demütigung». Die «Gazzetta dello Sport» titelte empört und in großen Lettern: «So nicht».

Und was wird aus Final-Verlierer Inzaghi?

Noch vor wenigen Wochen hatte Inter das Triple in Aussicht - nun verpatzten die Nerazzurri den wichtigsten Titel auf schlimmstmögliche Weise. Und was wird auch Coach Inzaghi? Gerüchte um einen Weggang nach Saudi-Arabien halten sich seit Tagen. In der Nacht auf Sonntag konnte er noch nicht einmal sagen, ob er bei der Club-WM in zwei Wochen noch dabei ist. «Ich bin viel zu verbittert, um mir Gedanken über meine Zukunft zu machen», meinte er.

© dpa-infocom, dpa:250531-930-614314/4