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DGB: «Tarifflucht» kostet Staat und Beschäftigte Milliarden

Wer in einem Betrieb mit Tarifbindung arbeitet, verdient meist mehr als Kollegen in einem Unternehmen ohne. Der DGB hat ausgerechnet, wie sich das auf Staat, Sozialsysteme und Einkommen auswirkt.

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DGB-Bayern-Chef Bernhard Stiedl Matthias Balk/dpa

München (dpa/lby) - Würden alle Beschäftigten in Bayern nach Tarif bezahlt, brächte das nach Berechnungen des DGB Milliarden für Staat und Beschäftigte. Alleine in den Sozialsystemen liege der Unterschied bei sieben Milliarden Euro pro Jahr, heißt es vom Gewerkschaftsbund, bei den Steuern seien es 4,1 Milliarden und bei den Beschäftigten rund 9,5 Milliarden Euro. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft kritisiert die Position des DGB allerdings als «weltfremd».

Basis der Berechnung des DGB sind Zahlen zur Tarifbindung sowie zu Lohnunterschieden in den Betrieben. «Wer nicht nach Tarif bezahlt wird, hat im Schnitt 2.671 Euro netto pro Jahr weniger zur Verfügung», heißt es vom DGB in Bezug auf Bayern. In Kombination mit einer Tarifbindung von nur noch rund 45 Prozent im Freistaat im vergangenen Jahr ergeben sich die oben genannten rechnerischen Unterschiede. 

«Diese Zahlen belegen eindrucksvoll: Tarifverträge sichern nicht nur faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, sie sind zugleich ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn», betont der Vorsitzende des DGB Bayern, Bernhard Stiedl. «Eine hohe Tarifbindung ist kein Hemmschuh, sondern
vielmehr ein Motor für Wachstum und Stabilität: Sie stärkt die Binnennachfrage, sichert gute Arbeit und schafft soziale Sicherheit.»

Tarifbindung rückläufig

Die Tarifbindung ist seit langem rückläufig. Noch vor 20 Jahren hatte sie bei etwa zwei Dritteln gelegen, nun also nicht einmal mehr bei der Hälfte. Dies sei eine «alarmierende Entwicklung», sagt Stiedl. Er fordert weiterhin ein eigenes bayerisches Tariftreuegesetz, bei dem öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden sollen, die Tariflöhne zahlen. «Hiervon würden
insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sowie Handwerksbetriebe profitieren, da sich diese dann besser gegen Billigkonkurrenz von Subunternehmen behaupten können.» 

Darüber hinaus brauche es ergänzende Schritte, um die Tarifbindung insgesamt zu stärken, sagt Stiedl. «Wir brauchen eine klare Trendwende - Tarifbindung muss wieder die Regel werden. Nur so sichern wir faire Einkommen, starke Sozialkassen und eine stabile Wirtschaft.» 

Im Vergleich zum Rest Deutschlands sind die Unterschiede beim Einkommen von Beschäftigten mit und ohne Tarifvertrag in Bayern immerhin etwas geringer. Bundesweit sind es der Berechnung zufolge 2.891 Euro netto. Bei Beschäftigten im Osten ohne Tarifvertrag kommt der DGB sogar auf ein jährliches Netto-Minus von 3.451 Euro.

Vbw widerspricht

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) kritisierte die Analyse des Gewerkschaftsbunds als «weltfremd» und «an den Haaren herbeigezogen». «Der Anteil der Beschäftigten mit direkter und indirekter Tarifbindung ist seit Jahren stabil, von Tarifflucht kann also überhaupt keine Rede sein», sagt vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Manche Betriebe sähen sich zudem «gezwungen, von den komplexen und teuren Flächentarifverträgen abzuweichen, um überhaupt noch Beschäftigung in Deutschland halten zu können». Auch jeder auf diese Weise gesicherte Arbeitsplatz zahle auf die Sozialversicherung ein.

Kritisch äußerte sich Brossardt auch zum geplanten Bundestariftreuegesetz. Dieses sei mittelstandsfeindlich und schade durch einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand. «Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, an welche noch fast die Hälfte der öffentlichen Aufträge des Bundes vergeben werden, haben das Nachsehen», sagt er.

© dpa-infocom, dpa:250912-930-28745/2