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Geothermie: Schneller bohren mit Versicherung

Geothermie soll eine wichtige Rolle in der Energieversorgung spielen. Doch für viele Kommunen sind die Bohrungen zu riskant - ein Flop kostet Millionen. Helfen soll eine Versicherung gegen Misserfolg.

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Geothermie-Bohrung Laufzorn II Tobias Hase/dpa

München/Berlin (dpa/lby) - Die Bundesregierung will Deutschlands Gemeinden mit einer staatlich geförderten Versicherung die Angst vor dem Risiko teurer Geothermie-Bohrungen nehmen. Die «Fündigkeitsversicherung» in Kooperation der bundeseigenen Förderbank KfW und des Rückversicherers Munich Re soll finanziellen Schutz bieten. Derzeit ist der Bundeshaushalt im Bundestag in Beratung. «Davon abhängig ist der Start», sagt eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. In Bayern fordern die Gemeinden zusätzliche Förderung der Staatsregierung für den Ausbau der Wärmeleitungen zwischen den Ortschaften.

Ehrgeizige Ziele

Die Tiefengeothermie - heißes Wasser aus kilometerweit unter der Erdoberfläche gelegenen Schichten - soll künftig eine größere Rolle in der deutschen Energieversorgung spielen als bisher. Bis 2030 soll ein geothermisches Potenzial von 10 Terawattstunden erschlossen und die Einspeisung in Wärmenetze aus dieser Quelle verzehnfacht werden, wie es in der Begründung des ebenfalls geplanten Geothermie-Beschleunigungsgesetzes heißt. 

Fündigkeitsversicherung und Gesetzesplan sind Erbstücke der verflossenen Ampel-Koalition. Für die Stromerzeugung per Geothermie sind 80 bis 90 Liter Fließmenge pro Sekunde mit einer Wassertemperatur von 110 Grad notwendig, wie Geologe Matthias Tönnis erläutert, der Geothermie-Fachmann der Munich Re. Für die Wärmenutzung genügen niedrigere Fließmengen und 60 bis 70 Grad Wassertemperatur. Vorzugsgebiet in Bayern ist nach geologischen Untersuchungen das sich von den Alpen bis zur Donau erstreckende bayerische Molassebecken. 

Hemmschuhe Kosten und Bürokratie 

Doch Aufwand, Bürokratie und Kosten sind hoch: «Bis ein Projekt überhaupt erst mal anfängt zu bohren, vergehen manchmal fünf Jahre», sagt Tönnis. «Jeder Bohrtag – und da reden wir nicht von Arbeits-, sondern von Kalendertagen – kostet etwa 80. 000 Euro.» Bis die erste Bohrung unten ist, können einer Kommune nach Tönnis' Worten Vorlaufkosten von 20 bis 30 Millionen Euro entstehen. «Wenn die Bohrung nicht bringt, was sie erwartet hat, ist das Geld weg.» Unter Umständen gibt es dann noch ein offenes Bohrloch, das wieder geschlossen werden muss. «Das kostet nochmal eineinhalb Millionen Euro.»

Kommunen sind keine Bergbau- oder Energieunternehmen, die bewusst Risiken eingehen. Und anders als Unternehmen können Bürgermeister auch nicht andernorts bohren lassen, wenn der erste Versuch erfolglos war. «Bei Öl und Gas genügt es vollkommen, wenn jede zehnte Bohrung ein Treffer ist», sagt Tönnis. «Eine Kommune kann sich keinen einzigen Flop leisten.»

An dieser Stelle soll die Versicherung einspringen. «Wir decken einen Teil des Risikos, den Rest übernimmt die KfW», sagt Tönnis. Das Pilotprojekt soll nach dem Start zunächst drei Jahre laufen.

Kosten der Bohrung nicht das einzige Problem

Der Bayerische Gemeindetag hält die Fündigkeitsversicherung für sinnvoll, aber nicht ausreichend. «Die angekündigte kombinierte Darlehens- und Versicherungslösung könnte das Rosinenpicken bei den Bohrungen beenden und in weiteren Claims Bohrungen möglich werden lassen», sagt Energiereferent Stefan Graf. «Damit ist aber besonders im ländlichen Raum die Wirtschaftlichkeit, sprich Wettbewerbsfähigkeit der Wärmeversorgung nicht hergestellt.»

Denn laut Gemeindetag entfallen weit über die Hälfte der Projektkosten auf die Netze. Da es in einem kleinen Dorf allein nicht genug Abnehmer für den wirtschaftlichen Betrieb einer Geothermie-Anlage gibt, müssten nach Vorstellung des Kommunalverbands einzelne «Wärmeabnahmeinseln» in verschiedenen Ortsteilen einer Gemeinde über Leitungen verknüpft werden. 

Gemeinden wollen mehr Fördergeld auch von der Staatsregierung

«Dies sind zusätzliche Investitionen, die oft nicht einer Gemeinde zugeordnet werden können», sagt Graf. Daher der Appell an die Staatsregierung, die bestehende Bundesförderung zu ergänzen. «Nachdem der Bund mit der angekündigten Förderung aus dem Sondervermögen und der Versicherungslösung nun liefert, erinnern wir den Freistaat daran, seinen warmen Worten für die Tiefengeothermie Taten folgen zu lassen.»

Aiwanger will Verwaltungsarbeit vereinfachen

Ob das so kommen wird, ist offen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sichert den Kommunen Unterstützung bei der Minderung der Verwaltungsarbeit zu. «Derzeit sind über 70 Bohrungen in der Pipeline, ich will das systematisieren», sagt der Freie Wähler-Chef. «Wir werden das Verfahren standardisieren und die Kommunen unterstützen, so dass nicht in jedem einzelnen Landkreis jede Behörde wieder vor den gleichen rechtlichen Fragen steht und jedes Mal alles neu diskutiert wird.» Dem Wirtschaftsminister schwebt ein Modell nach dem Muster der «Windkümmerer» vor, die die Kommunen bei der Planung von Windkraftanlagen unterstützen.

Genehmigungsverfahren dauern Jahre

Denn die finanziellen Risiken sind nur ein Hemmnis für die Geothermie. Die Verwaltungslast reduzieren will auch der Bund. «Derzeit sind die Genehmigungsverfahren teilweise von mehrjähriger Dauer und mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden», heißt es in der Begründung des geplanten Geothermie-Beschleunigungsgesetzes. 

Unter anderem ist für die tiefen Bohrungen eine Bergbaukonzession erforderlich. Das behördliche Prozedere soll in Zukunft wesentlich beschleunigt werden. «So soll es eine Einführung von Höchstfristen für Genehmigungsverfahren im Bergrecht geben, zum Beispiel muss die Behörde innerhalb eines Jahres über die Genehmigung entscheiden», sagt die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.

© dpa-infocom, dpa:250720-930-817522/1