Israels Vorgehen in Gaza – Knobloch stellt sich gegen Kritik
Die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch hadert mit der auch in Deutschland wachsenden Kritik an Israel. Aus Ihrer Sicht fehlt es nicht nur an Klarheit bezüglich einer «einfachen Tatsache».


München (dpa) - Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), Charlotte Knobloch, teilt die lauter werdende Kritik am Vorgehen Israels zu fehlenden Hilfsleistungen im Gazastreifen nicht. «Sind die Geiseln frei, kann man über alles reden», sagte die Holocaust-Überlebende der Deutschen Presse-Agentur in München zum Bedarf an Hilfskonvois für die Menschen im Gazastreifen.
Ihr liege zunächst das Schicksal der israelischen Geiseln am Herzen. «Aber dieses Thema, das die aktuelle Situation hervorgerufen hat, steht hierzulande leider kaum noch auf der Tagesordnung.»
Merz hatte Zweifel an Israels Vorgehen geäußert
Knobloch erklärte auf Nachfrage, dass sie die jüngst auch von Kanzler Friedrich Merz (CDU) geäußerten Zweifel am israelischen Vorgehen nicht teile: «Es sind die Terroristen, die das unsägliche Leid ausgelöst haben und bis heute verlängern.» Merz hatte unter anderem erklärt, dass es sich auch mit dem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas nicht begründen lasse, wie Israel die palästinensische Zivilbevölkerung «in den letzten Tagen immer mehr der Fall» in Mitleidenschaft genommen habe.
Außenminister Johann Wadephul (CDU) kündigte gar bereits Konsequenzen an. Er wolle wegen des israelischen Vorgehens im Gazastreifen deutsche Waffenlieferungen überprüfen und möglicherweise einschränken, sagte er der «Süddeutschen Zeitung».
Frei: Offene Worte, aber Waffenlieferungen sind richtig
Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) sagte der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung»: «Die Bevölkerung im Gaza-Streifen wird in einer Art und Weise in Mitleidenschaft gezogen, dass man Zweifel haben kann, ob die Regeln des Völkerrechts noch eingehalten werden.» An der Verbundenheit zu Israel dürfe kein Zweifel bestehen. Es gelte aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sagte er mit Blick auf Israels Vorgehen. «Diese Gesamtsituation muss man auch unter Freunden offen ansprechen können.»
Forderungen nach der Einstellung jedweder Waffenlieferungen Deutschlands an Israel sehe er «äußerst skeptisch», sagte Frei. Man stehe in einer besonderen Verantwortung für Israel. «Deswegen sind Lieferungen von Rüstungsgütern aus Deutschland grundsätzlich richtig.» Er sagte auch: «Das besondere Verhältnis zu Israel steht über allen anderen Erwägungen. Das kann nicht zur Disposition stehen.»
Knobloch sieht Verantwortung für jegliches Leid klar bei der Hamas
Knobloch erklärte, letztlich sei dieser Angriff auf Israel auch der Grund für die Lage der Menschen im Gazastreifen: «Man darf niemals vergessen: Ohne diesen Überfall würde es den aktuellen Krieg nicht geben. Niemandem in Gaza müsste es heute schlechter gehen als am 6. Oktober 2023», sagte sie. «Für die Hamas aber waren in diesem Krieg nicht nur israelische Menschenleben nichts wert, auch die eigene Bevölkerung in Gaza hat sie von Anfang an ganz bewusst in tödliche Gefahr gebracht und inszeniert zynisch deren Leid.»
Bis heute hielten zudem die Terroristen der Hamas Dutzende Israelis unter entsetzlichen Bedingungen im Gazastreifen gefangen, so Knobloch. «Selbst noch die Rückgabe von sterblichen Überresten ermordeter Geiseln wurde mehrfach in würdelosen Spektakeln inszeniert, die in Abgründe der Unmenschlichkeit blicken lassen.»
Knobloch: Niemand kann von Israel erwarten, Schmerz zu vergessen
Rufe und Forderungen nach einem Ende der israelischen Interventionen lässt Knobloch nicht gelten: «Weder politisch noch moralisch kann von den Israelis verlangt werden, diesen Schmerz einfach zu vergessen. Gegenüber einer mörderischen Bedrohung wie der Hamas darf Israel nicht tatenlos bleiben.» Diese «einfache Tatsache» müsse bei allen Differenzen über Israels Vorgehen Grundlage internationaler Solidarität mit Israel bleiben – gerade auch in Deutschland. «So viel Klarheit darf man verlangen.»
Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seither kämpft Israels Militär in dem – inzwischen großflächig zerstörten – Küstengebiet gegen die Hamas. Vor knapp zwei Wochen startete es eine neue Großoffensive. Die Notlage der rund zwei Millionen Menschen in dem dicht besiedelten Küstenstreifen hat sich drastisch verschärft. An Israels Vorgehen gibt es im In- und Ausland massive Kritik.