Leichtes Spiel: Krisenclub FC St. Pauli bei den Über-Bayern
In einer Krise ist es hilfreich, gute Freunde zu sehen. Hilfe darf der FC St. Pauli bei seinem Gastspiel beim FC Bayern in München aber nicht erwarten. Der Blick richtet sich auf die Spiele danach.
Hamburg (dpa) - Kein Spiel ist für den FC St. Pauli so leicht wie das Spiel gegen den FC Bayern München. Gerade jetzt. Viel mehr David gegen Goliath gibt es in der Fußball-Bundesliga derzeit kaum. Die Hamburger können mitten in ihrer schweren Krise befreit aufspielen. Niemand stellt in München überzogene Erwartungen an sie - und nach den vergangenen Wochen ohnehin nicht. Es stellt sich für viele nur noch die Frage: Wie hoch fällt die Niederlage aus?
Die Vorfreude auf das Spiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) lässt sich Cheftrainer Alexander Blessin nicht nehmen. Es sei «ein absolutes Highlight-Spiel». Die Situation schätzt er dennoch realistisch ein. «Genießen wird schwierig», sagte der 52-Jährige. «Wir werden leiden müssen.»
Situation anders als in der Vorsaison
Acht Liga-Pleiten erlebte seine Mannschaft zuletzt. Dass beim deutschen Meister und souveränen Tabellenführer die neunte Niederlage vor der Tür wartet, bedarf kaum hellseherischer Kräfte. Daran ändert auch das 1:3 der Bayern gegen Arsenal in London in der Champions League am Mittwochabend nichts. Es war die erste Niederlage des Starensembles in Meisterschaft, Pokal und Königsklasse überhaupt in dieser Saison.
In der vergangenen Spielzeit hatte sich der FC St. Pauli in den beiden Spielen gegen die Bayern (0:1 am Millerntor/2:3 in München) achtbar behauptet. Die Lage hat sich in dieser Spielzeit verändert. «Wir können jetzt hier lamentieren. Wir können alles sagen, wie scheiße es ist, aber noch mal: Wir haben jede Woche die Möglichkeit, durch Schritte, die wir einleiten, wieder aufzustehen und dementsprechend uns dagegen auch zu wehren», sagte Blessin. Vielleicht sei dieses Spiel auch einfacher, «weil wir mit diesem Gefühl hereingehen, dass wir sowieso nichts zu verlieren haben».
Bayern-Spiel als Übung für die Defensive
«So was habe ich in meiner Karriere auch noch nicht erlebt», sagte St. Paulis Torwart Nikola Vasilj nach dem Mittwoch-Training vor Hamburger Medien zur Pleitenserie. «Aber wir können da mental ein bisschen entspannter hinfahren, weil keiner mit uns rechnet. Für solche Spiele gegen die Besten der Welt spielt man Fußball.»
Auch sein Abwehrchef Eric Smith sieht die Chancen realistisch. «Selbst wenn wir zehnmal in Folge gewonnen hätten, würden wir keine drei Punkte aus diesem Spiel erwarten», sagte er. «Vielleicht kommt dieses Spiel gerade richtig, um an unserem Defensivverhalten zu arbeiten. Denn dort werden wir vermutlich ein bisschen mehr zu verteidigen bekommen.»
Der Schwede dürfte mit seiner Einschätzung richtig liegen. Die sportlichen Daten der beiden Mannschaften in dieser Bundesliga-Saison sprechen für sich: In den bisherigen elf Spielen holten die Bayern 31 Punkte und schossen 41 Tore. Nur beim 2:2 bei Union Berlin gingen die Münchener nicht als Sieger vom Platz. Die Hamburger haben bislang nur sieben Zähler geholt und sind nur noch einen Punkt vor den Abstiegsplätzen.
Sportliche Welten zwischen St. Pauli und Bayern
Zu Hause hat der FC Bayern in sechs Spielen drei Gegentore zugelassen und 26 geschossen. Der FC St. Pauli traf bislang nur dreimal in der Fremde. Allein die Quote von sieben Gegentreffern in fünf Auswärtspartien ist Liga-Durchschnitt.
Mit insgesamt neun Toren hat der FC St. Pauli gemeinsam mit dem Hamburger Stadtrivalen HSV die wenigsten Treffer erzielt. Die Bayern durften sich schon 41 Mal abklatschen. Auch bei den Marktwerten liegen die Kader der beiden Clubs weit auseinander.
Nach der Bayern-Partie folgen vier bedeutende Spiele
Eben weil die Ausgangssituation so klar ist, gibt das Spiel in München dem FC St. Pauli und seinem Cheftrainer Alexander Blessin auch eine kurze Atempause in der Krise. Danach stehen bis zur Weihnachtspause vier wesentlich wichtigere Spiele an.
Nach dem Achtelfinalspiel im DFB-Pokal bei Borussia Mönchengladbach am Dienstag (18.00 Uhr) geht es vier Tage später in der Liga zum starken Aufsteiger 1. FC Köln. Außerdem ist noch der aktuelle Tabellenletzte 1. FC Heidenheim (13.12., 15.30 Uhr/Sky) am Millerntor zu Gast, letzter Gegner des Jahres ist auswärts der derzeitige Vorletzte Mainz 05 (21.12., 15.30 Uhr/Sky).
Das seien «vier Gegner, die schlagbar sind», hatte Blessin nach der Niederlage gegen Union Berlin gesagt. Sein Ziel ist: «Dann mal ein dreckiges Spiel mit 0:0 oder 1:0 mitzunehmen und daraus Mut zu schöpfen und eine kleine Serie einzuleiten.»
Dass er trotz der Negativserie im Verein nicht zur Disposition steht, weiß er zu schätzen. Präsident Oke Göttlich und auch Sportdirektor Andres Bornemann stärkten ihm auch nach dem Berlin-Spiel den Rücken und ließen eine mögliche Trainer-Diskussion erst gar nicht aufkommen.
Natürlich sei das ein gutes Gefühl, meinte Blessin. «Letzten Endes wissen wir doch alle, wie das Geschäft ist.» Er probiere das so gut wie möglich auszublenden.