Warum Sophie Rüth so gerne erste Türmerin im Saarland ist
Eine Trompeterin hat einen besonderen Job. Sie spielt Choräle von Saarbrücker Kirchtürmen. Was es damit auf sich hat?


Saarbrücken (dpa) - Sophie Rüth setzt ihre Trompete an und bläst. Ihre Töne sind weit in der Saarbrücker Innenstadt zu hören. Denn ihre «Bühne» liegt in rund 70 Metern Höhe auf einem Kirchturm. Menschen bleiben stehen, blicken nach oben, auf den Turm der Basilika St. Johann, und lauschen den Chorälen, die die 23-Jährige spielt. Rüth hat einen besonderen Job: Sie ist die erste Türmerin des Saarlandes.
«Es ist ein ganz besonderes Gefühl für mich, vom Turm zu spielen», sagte die Trompeterin, die aus einem Dorf bei Amberg in der Oberpfalz (Bayern) stammt. «Es klingt so frei. Und es ist für mich das erste Mal, das ich nicht gegen Wände spiele, wo sich der Schall bricht und wieder zurückkommt.»
Die 23-Jährige hat nach einer Ausschreibung der Musikfestspiele Saar die Türmerstelle bekommen - und wird in den nächsten Wochen von verschiedenen Kirchtürmen in Saarbrücken und anderer Städte im Saarland zu hören sein.
Was ist ihre Botschaft?
Türmer hat es früher im Mittelalter gegeben. Sie waren Wächter, die die Aufgabe hatten, vom hohen Turm aus die Bürger einer Stadt vor Gefahren - wie Feinden oder einem Feuer - zu warnen. Meist nutzten sie dabei Jagdhörner oder Fanfaren. Das Choralblasen vom Turm kam erst im Zuge der Reformation auf - als eine Art Predigt, die über die Häuser hinweg zu den Menschen getragen wurde.
Für Rüth, die seit gut vier Jahren Trompete an der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken studiert, geht es um eine Neu-Interpretation der alten Tradition. «Mit der Musik will ich möglichst viele Menschen erreichen. Man hat eine große Tragweite, weil jeder Mensch, der in der Stadt herumläuft, Zugang hat.» So werde jedem ein schönes Erlebnis und ein Stück Kultur geschenkt.
Trompetenspiel kennt keine Grenzen
«Musik ist in der Luft», sei die Botschaft der Türmerin, sagte der Intendant der Musikfestspiele Saar, Bernhard Leonardy. Mit dem Trompetenspiel von Kirchtürmen in verschiedene Himmelsrichtungen solle Rüth auch Lust machen auf mehr Kultur und Konzerte der Festivalwochen, die vom 7. Mai bis 29. Juni unter dem Motto «Einheit, Vielfalt und Freiheit» im Saarland stattfinden. Allein rund 30 große Konzerte seien geplant.
Rüths Trompetenspiel stehe auch dafür, dass Musik keine Grenzen kenne, sagte Leonardy. «Wenn sie laut bläst und der Wind richtig steht, hört man sie bis nach Frankreich.» Man wolle Menschen «zu etwas Schönem» zusammenbringen: «Es ist ganz wichtig in der heutigen Zeit, positive Signale auszusenden.»
Wie kommt die Türmerin an?
Hoch auf den Turm der Basilika St. Johann geht es über eine steile Holztreppe, die nach oben enger wird. Dann muss Rüth noch durch ein Fenster steigen, ihre Trompete auspacken und los geht's. Bei dem ersten Auftritt sei sie vom großen Andrang überrascht gewesen. «Ich habe eineinhalb Stunden durchgespielt», sagte sie lachend.
Was sie an der Trompete begeistert? «Ich finde die Trompete liegt der menschlichen Stimme ziemlich nahe, zumindest der weiblichen Stimme vom Tonumfang», sagte sie. «Das ist wie Singen. Ich kann da mein ganzes Gefühl reinlegen und mich total gut ausdrücken.»
Trompete spielt Rüth seit ihrem siebten Lebensjahr. «Eigentlich wollte ich Klarinette lernen, aber die Lehrerin hatte keinen Platz mehr.» Für Tuba sei sie zu klein gewesen, für Posaune waren die Arme zu kurz. «Da blieb nur die Trompete über.» Aber es habe nicht lange gedauert, da habe sie gemerkt: «Das ist mein Instrument.» Sie hat schon einige Preise gewonnen und ist festes Mitglied in mehreren Ensembles, wie der Bergkapelle Saar.
Wo es heute noch Türmer gibt?
Es gibt in Deutschland noch andere Städte, in der die Tradition des Türmers aufrechterhalten wird. In Münster bläst Türmerin Martje Thalmann seit Anfang 2014 vom Turm der Lambertikirche ihr Horn. In Hamburg spielen Türmer täglich vom Turm der St. Michaelis-Kirche Choräle in alle vier Himmelsrichtungen. Und in Bad Wimpfen in Baden-Württemberg gibt es auf dem Blauen Turm sogar eine Türmerwohnung.
Und wie geht es im Saarland weiter? «Ich habe den Eindruck, es ist ausbaufähig», sagte Leonardy. Er könne sich gut vorstellen, dass es das Türmer-Amt auch im nächsten Jahr weiter gebe. «Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir das noch mal machen.»