Baby-Boom im Biathlonteam: Hettich-Walz als Mama im Weltcup
Gleich vier Babys gibt es im deutschen Team. Für ein Novum sorgt Janina Hettich-Walz. Vor ihr war noch keine deutsche Skijägerin nach einer Geburt zurückgekommen.
Östersund (dpa) - Eines war für Biathletin Janina Hettich-Walz schon immer klar. Sie will nicht erst mit weit über 30 und nach ihrer Sportkarriere Mama werden. «Ich habe auch eine sehr junge Mutter und fand es immer cool», sagte die 29-Jährige. Und so spielt seit Februar dieses Jahres Tochter Karlotta die Hauptrolle im Leben der Skijägerin und ihres Mannes Kai.
Und Hettich-Walz sorgt damit für ein Novum im deutschen Biathlon: Sie ist die erste Mutter im Weltcup. In Östersund, wo sie am Freitag im Sprint (16.00 Uhr/ZDF und Eurosport) mit ihren Teamkolleginnen das insgesamt schwache Einzelergebnis vom Dienstag revidieren will, ist die Kleine nicht dabei - aber dann beim zweiten Weltcup kommende Woche in Hochfilzen.
Dass sie sich nach ihrer erfolgreichsten Saison, als sie 2024 in Nove Mesto WM-Einzelsilber und Staffel-Bronze gewann, bewusst für eine Schwangerschaft entschied, kam für viele überraschend. Doch für sie selbst war nur eine Frage wichtig: Bereut sie ihre Entscheidung, wenn sie nach der Geburt die Rückkehr nicht schafft? Ihre Antwort damals wie heute: Nein. Sie habe mit der WM-Einzelmedaille mehr erreicht, «als ich mir als Kind erträumt habe. Für mich ist Familie langfristig wichtiger».
Erfolgreiche Comebacks nach Geburt
Dass man auch nach einer Schwangerschaft auf Topniveau Titel gewinnen kann, haben vorher schon die Französinnen Justine Braisaz-Bouchet und Marie Dorint-Habert oder die Slowakin Anastasija Kuzmina bewiesen. «Warum soll das nicht auch bei mir der Fall sein? Und meine Tochter ist eine große Motivation für mich», sagte Hettich-Walz, die bei den deutschen Meisterschaften im September zwei Titel holte und bei der Leistungsdiagnostik im Oktober sogar bessere Werte als vor zwei Jahren hatte. Sie hat ein ganz klares Ziel vor Augen: Eine Medaille bei den Olympischen Spielen im Februar in Italien.
Dafür bekam sie die volle Unterstützung des Verbandes. Neben dem Erhalt des A-Kaderstatus, wodurch sie ihre Stelle bei der Bundeswehr als Sportsoldatin behielt, stand sie immer im engen Kontakt mit der medizinischen Abteilung und den Trainern. «Die haben mich wirklich alle super unterstützt. Ich bin dem DSV sehr dankbar», sagte Hettich-Walz.
Das war früher nicht so, wie Ex-Skistar Felix Neureuther im BR-Podcast «Pizza&Pommes» über die Schwierigkeiten seiner Ehefrau Miriam, die unter ihrem Mädchennamen Miriam Gössner zweimal Staffel-Weltmeisterin wurde, nach deren Babypause berichtete. «Es wäre eine unfassbare Organisation für die Miri oder für uns gewesen, dass man das schaffen kann. Gefühlt ist das Thema ehrlich gesagt nicht so ernst genommen worden, wie wir es gerne gehabt hätten, dass wir das schaffen können.» Die frühere Biathletin und Langläuferin hatte 2019 ihre Karriere gut zwei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter beendet.
Hettich-Walz als Vorbild für den deutschen Wintersport
Auch für die Coaches war nach dem anfänglichen «Schock» das Trainieren einer jungen Mutter Neuland, was aber im Zusammenspiel gut funktionierte, wie Bundestrainer Kristian Mehringer sagte. Der 44-Jährige sieht Hettich-Walz in einer «Vorbildwirkung, vielleicht für die nächste Generation». Sie zeige, dass sich Familie und Sportkarriere nicht ausschließen müssen. Sportdirektor Felix Bitterling denkt schon weiter: «Wir brauchen ja irgendwann auch mal Nachwuchsbiathleten und die Chance ist sicherlich größer, wenn der Papa oder die Mama auch schon eine war.»
Franziska Preuß hat den «allerhöchsten Respekt» vor ihrer Teamkollegin. «Für mich wäre das jetzt aber gar kein Thema gewesen, beides unter einen Hut zu kriegen», sagte die Weltcupgesamtsiegerin (31), die erst nach ihrer Karriere mit ihrem Lebensgefährten Simon Schempp Kinder haben möchte.
Der organisatorische Aufwand ist für Hettich-Walz ungleich höher, und alles funktioniert nur dank der Unterstützung der gesamten Familie. So übernehmen ihr Mann und die Großeltern die Betreuung der Kleinen während des Trainings. Im Winter kommt Karlotta in Familienbegleitung so oft es geht mit auf Reisen, immer abseits der Teamkollegen wegen der Infektionsgefahr. Auch ihre Sponsoren sprangen anders als bei Paralympicssiegerin Elena Semechin nicht ab.
Baby-Boom und ein Außenseiter
Allein ist Hettich-Walz im deutschen Biathlon-Team nicht, denn bei den Herren ist gar ein kleiner «Baby-Boom» ausgebrochen. Johannes Kühn (33/Tochter), Justus Strelow (28/Sohn) und Danilo Riethmüller (26/Tochter) sind Väter geworden. Die drei seien noch mal ein Stück gewachsen, «auch an Persönlichkeit», sagte der neue Herren-Chefcoach Tobias Reiter.
Der Erste im Bunde war Kühn im Mai, dann folgte im August Strelow und im September war dann Riethmüller bei der Geburt seiner Tochter dabei. Es sei «schön, einzigartig, ungewöhnlich, seltsam» gewesen, einmalige Gefühle, die man so schnell nicht wiederbekomme, sagte Riethmüller und schob lachend hinterher: «Das Windelnwechseln geht tatsächlich etwas schneller als das Schießen.»
Philipp Nawrath fühlt sich fast schon ein bisschen als «Outsider». Für den 32-Jährigen wäre die Konstellation Baby und Biathlon nichts: «Es ein harter Job, den wir machen. Deswegen bewundere ich alle, die es schaffen.»