DHB-Frauen wollen Samba tanzen: größtes Heimspiel seit 1997
Public Viewing in der Schule und eine Medaillen-Mission auf dem Parkett: Die deutschen Handballerinnen stehen dicht vor ihrem ersten WM-Halbfinale seit 2007. Aber es geht um mehr.
Dortmund (dpa) - So lange bleiben Schüler nur selten freiwillig in der Schule. Doch an diesem Dienstag dürfte die Aula des Karl-von-Frisch-Gymnasiums in Dußlingen um 17.15 Uhr bis auf den letzten Platz gefüllt sein. Hunderte Jugendliche wollen zusammenkommen, um das WM-Viertelfinale der deutschen Handballerinnen gegen Brasilien zu verfolgen. Und, um ihren Deutschlehrer Markus Gaugisch, der parallel noch Bundestrainer des DHB-Teams ist, selbst einmal zu bewerten.
«Bei uns in der Schule gibt es Public Viewing. Die Kids schauen, was der, der sonst die Noten verteilt, sonst in seinem Leben macht. Es ist für die Kids gut, zu sehen, dass der Lehrer an sich, der ja oft als so ein Wesen angesehen wird, auch Emotionen hat, Bock hat, was zu tun, nahbar ist und Ziele verfolgt», sagte Gaugisch. DHB-Sportvorstand Mark Schober spricht vom «größten Heimspiel für den deutschen Frauenhandball seit der Heim-WM 1997».
Der Viertelfinaleinzug war zwar das Minimalziel des EM-Siebten. Dass man aber in so überzeugender Manier in die K.o.-Phase spaziert und keinem der bisherigen sechs Gegner annähernd eine Chance lässt, überrascht dann doch. «Ich habe noch kein Zeugnis erhalten. Aber wir sind im Viertelfinale. Ich gehe davon aus, dass wir auf jeden Fall versetzt sind», sagte Gaugisch.
«Do or die»: Es geht um mehr als das Halbfinale
Seit Jahren verharren die DHB-Frauen hinter den Top-Nationen in der erweiterten Weltspitze. Die Mission, die Lücke auf Olympiasieger Norwegen und Weltmeister Frankreich zu schließen, scheiterte regelmäßig. Ein Sieg gegen Brasilien könnte die Entwicklung beschleunigen. «Da will jeder Samba tanzen am Ende. Wir Deutschen sind nicht so gut im Samba, aber wenn wir dann gut Handballspielen können, werden wir das machen. Mal gucken, was in der Kabine noch möglich ist an Samba-Moves», sagte Xenia Smits.
In dem «Do-or-die-Spiel», in dem Deutschland die von Gaugisch oft zitierte «High-End-Leistung» benötigt, geht es um mehr als das erste WM-Halbfinale seit 18 Jahren. Ein Sieg vor fast 10.000 Fans in der Dortmunder Halle und womöglich Millionen von ZDF-Zuschauern soll die Entwicklung des Frauenhandballs nachhaltig vorantreiben.
«Wenn wir es nicht schaffen, haben wir eine super Vor- und Hauptrunde gespielt, aber nicht mehr erreicht als die letzten Jahre. Zumindest ergebnistechnisch. Wenn wir für die Zukunft für Handball-Deutschland und Frauen und Mädels was tun wollen, dann wird das eines der bedeutendsten Spiele meiner Karriere werden», sagte Smits.
«Das Gefühl in dieser Mannschaft ist nicht vergleichbar»
Das Selbstvertrauen der deutschen Riege kennt momentan keine Grenzen. Der WM-Rausch, in dem sich Emily Vogel, Smits und Co. nach dem Erfolgslauf befinden, ist zu stark, um Zweifel aufkommen zu lassen. «Das Gefühl in dieser Mannschaft ist nicht vergleichbar mit den Gefühlen zuvor», berichtete Antje Döll, die seit März Kapitänin ist. Die 37-Jährige und ihre Teamkolleginnen scheinen nicht einmal daran zu denken, dass am Dienstag irgendetwas schiefgehen könnte.
Ob das ihr größtes Spiel im Nationaltrikot sein wird? «Ja», antwortete Döll: «Und dann hoffe ich, dass am Freitag das nächste große Spiel folgen wird.»