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Klage zu Ramstein erfolglos: Schutzpflicht nur im Einzelfall

Bei einem US-Drohnenangriff in einem Dorf im Jemen wurden 2012 Zivilisten getötet. Weil die Air Base Ramstein dabei eine Rolle spielt, zogen Verwandte in Deutschland vor Gericht - bis nach Karlsruhe.

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Bundesverfassungsgericht urteilt zu US-Drohneneinsätzen Uli Deck/dpa

Karlsruhe (dpa) - Deutschland hat nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einen allgemeinen Schutzauftrag auch gegenüber Ausländern im Ausland, wenn es um grundlegende Menschenrechte und das Völkerrecht geht. Daraus könne unter bestimmten Voraussetzungen eine konkrete Schutzpflicht werden, befand das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe. Das Urteil gehe «einen Schritt über die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinaus», sagte die Vorsitzende Richterin Doris König. (Az. 2 BvR 508/21)

Mit Blick auf US-Drohneneinsätze, die technisch über die Air Base Ramstein in der Pfalz gesteuert werden, sah der Zweite Senat diese Voraussetzungen jedoch nicht als erfüllt an. Eine Verfassungsbeschwerde hierzu blieb erfolglos. 

Bedingungen für Eingreifen Deutschlands

Zum einen müsse es einen hinreichenden Bezug zur Staatsgewalt der Bundesrepublik geben, erläuterte König die Bedingungen. Zweitens müsse eine ernsthafte Gefahr der systematischen Verletzung des anwendbaren Völkerrechts vorliegen. Dies müsse für den Einzelfall geprüft werden.

Im Fall der Drohneneinsätze sieht das Gericht keine solche Gefahr «als Voraussetzung einer Verdichtung des allgemeinen Schutzauftrags zu einer konkreten Schutzpflicht gegenüber den Beschwerdeführern», sagte König. «Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass die USA in dem nicht internationalen bewaffneten Konflikt im Jemen unvertretbare Kriterien zur Abgrenzung legitimer militärischer Ziele von geschützten Zivilpersonen anwenden.» Ob der Bezug zur deutschen Staatsgewalt aufgrund der in Ramstein genutzten Technik hinreichend ist, ließ der Senat offen.

Tödlicher Vorfall im Jemen

Hintergrund ist die Verfassungsbeschwerde zweier Jemeniten. Ihr Fall beschäftigt die deutsche Justiz seit mehr als zehn Jahren.

Im August 2012 waren zwei Männer im Jemen durch einen US-Drohnenangriff ums Leben gekommen. Sie wurden bei einem Treffen mit drei mutmaßlichen Mitgliedern der Terrororganisation Al-Kaida getötet. Laut den Beschwerdeführern handelte es sich bei den Getöteten um einen Polizisten und einen Geistlichen, der gegen Al-Kaida in der Region gepredigt hatte. 

Zwei Verwandte, jemenitische Staatsangehörige, klagten sich seit 2014 in Deutschland durch die Instanzen und reichten zuletzt Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein. Sie beriefen sich auf das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Kläger sehen auch die Bundesregierung in der Verantwortung, weil der Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz eine bedeutende Rolle zukomme. 

Die Rolle Ramsteins

Die amerikanischen Streitkräfte hatten das Bundesverteidigungsministerium 2010 informiert, dass auf dem Gelände in Ramstein eine Satelliten-Relais-Station zur Steuerung auch waffenfähiger Drohnen im Ausland gebaut werde. Das Ministerium sah nach Gerichtsangaben keine Bedenken.

Gerichte in Deutschland entschieden unterschiedlich: Das Oberverwaltungsgericht Münster verurteilte die Bundesrepublik 2019 dazu, aktiv nachzuforschen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung des Militärstützpunkts gegen Völkerrecht verstoßen. Diese Entscheidung kassierte das Bundesverwaltungsgericht aber im folgenden Jahr. 

Ihm reichte nicht aus, dass Ramstein technisch für das US-Drohnenprogramm bedeutsam sei. Es müssten konkrete Entscheidungen auf deutschem Boden stattfinden, damit die grundrechtliche Schutzpflicht Deutschlands auch für Ausländer im Ausland gelte, argumentierte das Bundesverwaltungsgericht.

Kläger sehen weiter «Bedrohung für ihr Leben»

Eine zentrale Frage war, ob und unter welchen Umständen Deutschland zum Schutz von im Ausland lebenden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit verpflichtet ist. Die Bundesregierung bestritt eine solche Schutzpflicht im vorliegenden Fall. Unter anderem liege kein qualifizierter Bezug zum Inland vor. 

Zur Nutzung der Air Base befinde man sich in einem «fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog» mit den USA, hatte das Verteidigungsministerium zur Verhandlung im Dezember erklärt. «Die Bundesregierung hat dabei wiederholt die Versicherung eingeholt, dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten.»

Aus Sicht der Kläger ist das zu wenig. «Ohne Ramstein könnten die Drohnenüberflüge in der Zahl gar nicht stattfinden», hatte Rechtsanwalt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Beschwerdeführer unterstützt, gesagt. Die US-Streitkräfte nutzten die Basis als Knotenpunkt im globalen Drohnenprogramm. «Die ganzen Daten zu den Drohnen hin und von den Drohnen zurück laufen über Ramstein. Um das in Echtzeit steuern zu können, aus den USA, bedarf es Ramstein.» 

Die Beschwerdeführer wohnten demnach weiterhin im Jemen, wo es weiter kontinuierlich Drohnenüberflüge und auch immer wieder Angriffe gebe. Das sei kein Zustand, in dem sie leben könnten und wollten, sagte Schüller. «Es ist eine permanente psychische Bedrohung, eine Bedrohung für ihr Leben.»

© dpa-infocom, dpa:250715-930-798145/3