Vermisstenfall fesselt Frankreich: Ehemann vor Gericht
In den frühen Morgenstunden meldet ein Mann seine Frau in Frankreich als vermisst. Wenig später gerät er ins Visier der Ermittler. Die Frau wird nie gefunden, der Mann sitzt nun vor Gericht.


Albi (dpa) - Es ist einer der berühmtesten Vermisstenfälle der vergangenen Jahre in Frankreich, der nun vor Gericht kommt. Scheinbar spurlos verschwindet eine junge Mutter nachts in einem kleinen Ort in Südfrankreich. Ermittler gehen bald von einer Straftat aus. Doch ein Geständnis gibt es nicht und auch eine Leiche wird nicht gefunden. Fast fünf Jahre später sitzt ab heute der Ehemann der Verschwundenen in Albi vor Gericht. Die Anklage lautet: vorsätzliche Tötung seiner Partnerin. Ein Vorwurf, den der Beschuldigte zurückweist.
Paar steht vor der Scheidung
Die Nacht, in der die damals 33-jährige Krankenschwester verschwindet, ist die Erste, in der im Dezember 2020 wegen der Corona-Pandemie landesweit eine nächtliche Ausgangssperre gilt. Kurz nach 4.00 Uhr meldet der Mann seine Frau bei der Gendarmerie als vermisst. Die beiden befinden sich zu dem Zeitpunkt in der Scheidungsphase, haben einen sechs Jahre alten Sohn und eine anderthalb Jahre alte Tochter. Die Frau stellt sich eine Zukunft mit ihrem heimlichen Liebhaber vor, wie Medien später übereinstimmend berichten.
Schon bald betreiben die Ermittler großen Aufwand, um die Frau zu finden. Außer ihrem Telefon und der Kleidung an ihrem Körper fehlt nichts. Fahnder gehen in dem 2.500-Seelen-Ort Cagnac-les-Mines von Haus zu Haus, Freiwillige und Hunde durchforsten die Umgebung, Helikopter und Drohnen überfliegen waldiges Gebiet, auch Taucher kommen zum Einsatz und ein Teich wird abgepumpt. Ohne Erfolg.
Berichte über Ungereimtheiten und Drohungen
Ein halbes Jahr nach dem Verschwinden gerät dann der Ehemann ins Visier der Fahnder. Ein Ermittlungsverfahren wegen Tötung wird gegen ihn eingeleitet. Medien berichten von Ungereimtheiten in seinen Aussagen zum Abend des Verschwindens. Zwei Nachbarinnen geben demnach an, in der Nacht die Schreie einer Frau gehört zu haben. Die Brille der Verschwundenen ist stark beschädigt. Ihr Auto ist am Morgen andersherum geparkt als üblich und noch am Abend zuvor, heißt es.
Zudem erzählen Bekannte den Berichten zufolge von Drohungen, die der Noch-Ehemann gegen seine Frau ausgesprochen haben soll. «Ich werde sie töten, ich werde sie begraben und niemand wird sie finden», soll die Mutter des Mannes diesen wiedergegeben haben, schreibt der «Parisien». Der Sender France Info berichtet, der Mann habe solche Äußerungen vor den Ermittlern als «leere Worte» abgetan.
Der mittlerweile 38-Jähre hat stets seine Unschuld beteuert. Seine Verteidiger werfen den Ermittlern vor, nur in eine Richtung geguckt zu haben. Seit Jahren sage ihr Mandat das Gleiche, meint Anwältin Emmanuelle Franck im Sender LCI. Nämlich: «Ich bin und war vielleicht kein perfekter Ehemann, vielleicht kein perfekter Papa, ich bin sicherlich nicht perfekt. Aber, was sicher ist, ist, dass ich kein Mörder bin», paraphrasierte Franck den in Untersuchungshaft sitzenden Mann.
Doch, was den Fall auch so bizarr macht, ist, dass ein ehemaliger Mitgefangener und eine zwischenzeitliche Freundin des Mannes erzählen, er hätte ihnen gegenüber davon gesprochen, seine Frau getötet zu haben. Dem Mann droht vor Gericht nun lebenslange Haft.
Riesiges Interesse an Fall mit vielen Fragezeichen
Der rätselhafte Fall um das Verschwinden der Frau hat Frankreich in seinen Bann gezogen. Fast 300 Medienschaffende wollen dem Gerichtsverfahren beiwohnen. In etlichen Podcasts, Videos und Artikeln zeichnen Medien den Verlauf der Ermittlungen, die Tage vor und nach dem Verschwinden der Frau, detailliert nach. Laurent Nakache-Haarfi, der einige Geschwister der Verschwundenen in dem Verfahren vertritt, sagte der Zeitung «Libération» kurz vor Prozessbeginn, die Familie hoffe, dass aufgehört werde, aus dem Fall ein Spektakel zu machen.