Von der Leyen will auch Russen-Geld in Deutschland nutzen
Die EU-Kommission will festgesetztes russisches Vermögen nutzen, um den Finanzbedarf der Ukraine zu decken. Bislang wurde dabei vor allem nach Belgien geschaut. Das könnte sich nun ändern.
Brüssel (dpa) - Deutschland und mehrere andere Staaten sollen genauso wie Belgien festgesetzte russische Gelder für die Unterstützung der Ukraine bereitstellen. Das sieht nach Angaben von EU-Beamten der jetzt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgestellte Vorschlag für ein sogenanntes Reparationsdarlehen in Höhe von bis zu 210 Milliarden Euro vor.
Neben Deutschland sind demnach auch Frankreich, Schweden und Zypern mögliche Geber von russischem Staatsvermögen für das Vorhaben, wobei in Frankreich das meiste Geld liegen soll. Das vom belgischen Finanzinstitut Euroclear verwaltete russische Zentralbankvermögen wird auf rund 185 Milliarden Euro beziffert.
Die belgische Regierung hatte eine Beteiligung anderer EU-Staaten in den vergangenen Monaten wiederholt gefordert, um das Risiko zu mindern, dass Belgien alleiniges Ziel von möglichen Vergeltungsmaßnahmen wird. Dabei wird unter anderem die Gefahr gesehen, dass Moskau europäische Privatpersonen und Unternehmen in Russland enteignet.
Deutsche Wirtschaft sieht große Risiken
Der Vorstandsvorsitzende der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer, Matthias Schepp, warnte zuletzt, dass deutsches Vermögen von über 100 Milliarden Euro in Gefahr sei. «Deutschland hat wie kein anderes Land in Russland investiert. Es hat deshalb bei der geplanten Nutzbarmachung russischer Zentralbankgelder für Waffenkäufe zugunsten der Ukraine am meisten zu verlieren», sagte er im Oktober der Deutschen Presse-Agentur.
Bundesregierung hält genaue Zahlen geheim
Wie viel russisches Zentralbankgeld in Deutschland liegt, hält die Bundesregierung bislang geheim. Kommuniziert wurde zuletzt nur, dass im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine insgesamt Vermögenswerte in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro eingefroren oder immobilisiert wurden. Dies umfasse eingefrorene Gelder und wirtschaftliche Ressourcen von gelisteten Personen bzw. Entitäten sowie «Auslandswerte der russischen Zentralbank, die einem Transaktionsverbot unterliegen».
Von Diplomaten hieß es zuletzt, dass es bei dem Zentralbank-Vermögen vermutlich um eine eher kleinere dreistellige Millionensumme gehe. Die Bundesregierung hat sich bislang öffentlich nicht klar zu der Frage positioniert, ob sie bereit wäre, auch in Deutschland liegende Vermögen beizusteuern. Eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte am Abend der Deutschen Presse-Agentur: «Die Bundesregierung wertet den Vorschlag aus.» Man bitte um Verständnis, dass diese Auswertung noch laufe.
Showdown in zwei Wochen?
Über den am Mittwoch präsentierten Plan der EU-Kommission müssen nun Regierungen der Mitgliedstaaten beraten. Präsidentin von der Leyen hofft, dass die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten ihn in zwei Wochen bei ihrem Dezember-Gipfel billigen. In den nächsten beiden Jahren sollen zunächst rund 90 Milliarden Euro in die Ukraine fließen.
Als Alternative zu dem Konzept für die Verwendung der russischen Gelder legte von der Leyen zudem einen konkreten Vorschlag für die Aufnahme neuer EU-Schulden für die Ukraine vor. Zahlreiche Länder wie Deutschland lehnen dies allerdings ab und setzen darauf, den bislang anhaltenden Widerstand Belgiens gegen die Nutzung der russischen Gelder zu brechen. Das EU-Land spielt eine zentrale Rolle bei dem Vorhaben, da ein Großteil der russischen Gelder dort derzeit von dem Unternehmen Euroclear verwaltet wird.
Russland soll für Wiederaufbau zahlen
Das Grundkonzept für die Nutzung russischer Gelder ist bereits seit mehreren Monaten bekannt und wird auch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) unterstützt. Es sieht vor, dass Russland sein Geld nur dann zurückbekommt, wenn es nach einem Ende seines Angriffskriegs gegen die Ukraine Reparationszahlungen leistet. Für den Fall, dass das eingefrorene russische Geld zum Beispiel infolge von internationalen Urteilen oder Deals unerwartet wieder freigegeben werden müsste, müssten die EU-Staaten lediglich Garantien leisten.