Merz fordert «globale Kraftanstrengung» für den Klimaschutz
Nur gut 20 Stunden ist der Kanzler beim Klimagipfel im Amazonasgebiet. Er betont dort, dass man sich beim Klimaschutz auf Deutschland verlassen könne – hat aber nur wenig Konkretes im Gepäck.
Belém (dpa) - Bundeskanzler Friedrich Merz hat beim Klimagipfel in Brasilien eine «globale Kraftanstrengung» im Kampf gegen die Erderwärmung gefordert und neue Finanzmittel für den Schutz des tropischen Regenwalds zugesagt. An einem neuartigen Milliardenfonds, der die Abholzung in Ländern wie Brasilien oder Kongo bremsen soll, werde sich Deutschland mit einem «namhaften Betrag» beteiligen, sagte der CDU-Chef in seiner Rede.
Nach den Vorstellungen Brasiliens sollen reiche Staaten freiwillig anfänglich 25 Milliarden US-Dollar einzahlen. Profitieren könnten gut 70 Entwicklungsstaaten, die Tropenwälder haben.
Der Gipfel mit Dutzenden Staats- und Regierungschefs ist der Auftakt der eigentlichen Weltklimakonferenz, die offiziell am Montag beginnt. Sie findet zehn Jahre nach dem historischen Pariser Abkommen über die Begrenzung der Erderwärmung statt, das von fast 200 Staaten unterzeichnet wurde.
«Unsere Wirtschaft ist nicht das Problem»
«Wir stehen in diesen Tagen an einer Weggabelung», sagte Merz. Später fügte er vor Journalisten an: «Hier im Amazonasbecken schärft sich eben noch einmal unser Blick auch auf diese wahre Menschheitsaufgabe. Wir sind uns alle der Verantwortung bewusst, die wir tragen, mit unserer Welt für unser Zusammenleben.»
Jedes Land müsse entscheiden, wie es der Erderwärmung begegnen wolle. Für Deutschland sei die Entscheidung klar: «Wir setzen auf Innovation und auf Technologie, um eben dem Klimawandel erfolgreich Einhalt zu gebieten. Unsere Wirtschaft ist nicht das Problem, unsere Wirtschaft ist der Schlüssel, um unser Klima noch besser zu schützen», sagte Merz.
Merz stellt sich also einen Klimaschutz vor, der wirtschaftliche Aktivität fördert und nicht behindert. Man müsse sicherstellen, dass Energie langfristig günstig, sicher und verlässlich sei. Es gehe darum, Wettbewerbsfähigkeit mit Klimaschutz und sozialer Ausgewogenheit zu verbinden. Später sagte er vor Journalisten: «Wir wollen den Klimaschutz in Deutschland und in Europa nicht gegen die Wirtschaft machen, sondern mit der Wirtschaft.» Ein Denken in Dogmen bringe aber keinen voran. «Wir gehen hier nicht ideologisch an dieses Thema, sondern wir gehen sehr pragmatisch an dieses Thema ran.»
«Auf Deutschland ist Verlass»
Zu den deutschen und europäischen Klimaschutzzielen bekannte sich Merz: «Auf Deutschland ist Verlass», sagte er, betonte aber auch die globale Verantwortung. Deutschland habe 2024 rund sechs Milliarden Euro öffentliche Klimafinanzierung bereitgestellt – doch müssten auch andere stärker mitziehen.
«Alle Länder mit den ökonomischen Möglichkeiten und hohen Emissionen sind – und wir gehören dazu – sind dazu aufgefordert, eben dazu beizutragen», sagte er. Damit knüpft Merz an Forderungen früherer Bundesregierungen an, dass etwa China, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten, die mit Öl, Gas und Kohle viel verdient haben, in den Geberkreis für arme Staaten gehören.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam rügte Merz' Aussage, dass auf Deutschland bei der Unterstützung ärmerer Länder Verlass sei. «Diese Behauptung ist mit Blick auf die schweren Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit nur schwer erträglich», erklärte der Experte Jan Kowalzig.
«Tropenwälder für immer»
Die konkreteste Ansage des Kanzlers in seiner fünfeinhalb Minuten langen Rede ist die Beteiligung am Fonds «Tropenwälder für immer» (TFFF). Dafür schlägt die brasilianische Regierung ein neues Modell vor: Länder, die ihre Wälder erhalten, werden belohnt – mit 4 US-Dollar pro Jahr und Hektar. Für jeden zerstörten Hektar sollen sie aber umgekehrt 140 Dollar Strafe zahlen. Überprüft würde dies mit Satellitenbildern.
Jährlich könnte der Fonds mit einem angestrebten Volumen von 125 Milliarden US-Dollar nach einiger Anlaufzeit rund vier Milliarden US-Dollar ausschütten – fast das Dreifache des derzeitigen Volumens internationaler Wald-Finanzhilfen.
Brasilien wird selbst eine Milliarde US-Dollar einzahlen, ebenso Indonesien. Es wird erwartet, dass sich der deutsche Beitrag an dieser Größenordnung orientiert. Merz sagte: «Dass wir das heute noch nicht festlegen, ist kein Ausweichen.» Die Bitte um Beteiligung habe die Bundesregierung relativ kurzfristig erreicht. «Und das muss sorgfältig geprüft werden.»
Norwegen hatte am Vortag rund drei Milliarden US-Dollar zugesagt, aber über zehn Jahre gestreckt. Frankreich prüft nach brasilianischen Angaben die Bereitstellung von 500 Millionen Euro.
Greenpeace: Merz düpiert Lula
Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, kritisierte die nur vage Finanzzusage von Merz. «Der Bundeskanzler nennt keine Summe für Deutschlands Beitrag zum Tropenwaldfonds und düpiert damit den brasilianischen Präsidenten Lula.» Mit einer verbindlichen Finanzzusage hätte Merz aus Kaisers Sicht einen starken Startschuss für die anstehenden Verhandlungen der COP30 setzen können. «Diese Chance hat der Kanzler heute vertan.»
Klimaschutz kein Kernthema des Kanzlers
Der Klimaschutz zählte in den ersten sechs Monaten der Kanzlerschaft von Merz nicht zu den Themen, mit denen er sich besonders hervorgetan hat. Der Auftritt in Belém ist sein erster größerer Aufschlag dazu. Lange Zeit war unklar, ob er sich überhaupt ins Amazonasgebiet aufmachen würde. Die Entscheidung für die Reise in die knapp 9.000 Kilometer von Berlin entfernte Millionenstadt fiel relativ kurzfristig. Nach 21 Stunden Aufenthalt sollte es schon wieder zurück nach Berlin gehen.
Erste große UN-Konferenz für Merz
Merz geht es bei der Reise auch darum, «die Fahne hochzuhalten für den Multilateralismus», wie es in seinem Umfeld heißt – also für die internationale Zusammenarbeit auf der Grundlage von gemeinsamen Regeln der Vereinten Nationen mit ihren 194 Mitgliedstaaten. Er war im September wegen der Haushaltsberatungen im Bundestag schon der UN-Vollversammlung in New York ferngeblieben. Nun auch die zweite große UN-Konferenz des Jahres sausenzulassen, wäre dem Anspruch nicht gerecht geworden, die von den USA unter Trump massiv infrage gestellten Vereinten Nationen stützen zu wollen.