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Arzt kritisiert Regeln für Unterbringung psychisch Kranker

Psychisch kranke Menschen weisen nach Expertensicht ein erhöhtes Risiko für Gewalthandlungen auf. Alkohol und Drogen können das Risiko steigern. Doch wie umgehen mit den Betroffenen?

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Nach Messerattacke in Würzburg Nicolas Armer/dpa

Würzburg (dpa/lby) - Aufgrund der Rechtslage hätten die Messerstecher von Würzburg und Aschaffenburg vor ihren Taten nach Einschätzung eines Psychiaters nicht dauerhaft in einer Psychiatrie untergebracht werden können. «Unter den jetzigen gesetzlichen Gegebenheiten hatten wir überhaupt keine Möglichkeit, diese beiden Menschen für längere Zeit oder gar auf Dauer in der Psychiatrie unterzubringen», sagte der Ärztliche Direktor des Zentrums für Seelische Gesundheit in Würzburg, Dominikus Bönsch, der «Süddeutschen Zeitung». 

Bönsch leitet zudem das Bezirkskrankenhaus Lohr in Unterfranken, wo Patienten mit seelischen Problemen oder Suchterkrankungen behandelt werden - in der forensischen Abteilung sind psychisch kranke Straftäter untergebracht.

«Wir haben in beiden Fällen in der Analyse keinen Stein auf dem anderen gelassen, sämtliche Behandlungsabläufe bis ins Detail durchleuchtet. Unterm Strich aber bleibt: Die rechtlichen Vorgaben und das, was uns die Gerichte vorgeben, haben uns in beiden Fällen gar keine andere Wahl gelassen.»

Zwei gravierende Messerattacken in Unterfranken

Am 25. Juni 2021 hatte ein psychisch kranker Somalier in der Würzburger Innenstadt wahllos Passanten mit einem Messer attackiert. Drei Frauen starben, neun Menschen wurden verletzt und viele weitere traumatisiert. Im Juli 2022 schickte das Landgericht Würzburg den schuldunfähigen Beschuldigten unbefristet in eine Psychiatrie. Vor der Gewalttat war der Flüchtling unter anderem im Würzburger Zentrum für seelische Gesundheit untergebracht.

Am 22. Januar 2025 soll zudem ein Afghane in einem Park in Aschaffenburg einen zweijährigen Jungen und einen 41-Jährigen mit einem Messer getötet haben. Drei Menschen wurden schwer verletzt. Die Ermittler gehen von einer psychischen Erkrankung des Mannes aus - auch er war vor dem Angriff mehrfach in psychiatrischer Behandlung und wegen Gewalttaten auffällig. Zudem soll er Drogen genommen haben.

Das Sicherungsverfahren gegen den Migranten beginnt am 16. Oktober vor dem Landgericht Aschaffenburg. Dabei geht es um die zeitlich unbegrenzte Unterbringung des Beschuldigten in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. 

Psychiater kritisiert Gesetz

Bönsch kritisierte in diesem Zusammenhang das bayerische Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Es sei zwar gut geregelt, «wie jemand in die Klinik kommt. Aber fast gar nicht, wie es danach weitergeht.» Die Schwelle, jemanden in Bayern in die Psychiatrie zu bringen, sei extrem niedrig. «Die Schwelle, einen Patienten gegen seinen Willen weiterzubehandeln, ist extrem hoch. So betrachtet muss ich leider sagen: Das Gesetz ist unglaublich schlecht.»

Es sei versäumt worden, Hilfssysteme zu etablieren, die die schwer kranken Patienten auffangen könnten und diese Menschen unterstützten. «So ist dieses bayerische Gesetz sinnentleert. Nur dafür zu sorgen, dass die Patienten in die Klinik kommen, ohne dass viele dort dann adäquat behandelt werden könnten – und vor allem die weitere Unterstützung draußen nicht zu regeln –, ist schlecht», sagte der Psychiater dem Blatt.

Nach der Messerattacke in Aschaffenburg hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz «härten» zu wollen. Ob es dazu tatsächlich kommt, ist bisher offen.

© dpa-infocom, dpa:250919-930-58665/1