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Digitalisierung der Justiz in Bayern: Immer mehr Gerichte setzen auf Online-Verhandlungen

Die Digitalisierung der Justiz in Bayern nimmt Fahrt auf: Immer mehr Gerichte setzen auf Videokonferenzen, um Verhandlungen effizienter zu gestalten. Besonders in Zivilverfahren und bei formalen Terminen kommen digitale Lösungen zum Einsatz. Alle Details zur Entwicklung lest ihr hier.

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Amtsgericht Hamburg Bayern David-Wolfgang Ebener/dpa

Die Digitalisierung der Justiz in Bayern schreitet voran und verändert den gerichtlichen Alltag nachhaltig. Immer mehr Gerichte setzen auf Videokonferenzen, um Verhandlungen effizienter zu gestalten. Rund 30 Prozent der Gerichtssäle in Bayern sind mittlerweile mit Videokonferenzanlagen ausgestattet. Allein im vergangenen Jahr wurden über 18.000 digitale Verhandlungen durchgeführt – Tendenz steigend.

Videokonferenzen in Zivil- und Strafverfahren

Sowohl am Landgericht als auch am Amtsgericht Landshut ermöglichen Videokonferenzanlagen digitale Verhandlungen. Besonders in Zivilverfahren, wie Versicherungs- oder Banksachen, bieten sie Vorteile: Anwälte sparen sich lange Anreisen, und Terminkollisionen können vermieden werden. Allerdings stoßen Videokonferenzen bei umfangreichen Beweisaufnahmen an ihre Grenzen. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ist über Video oft schwierig, da die Kamera nur einen begrenzten Ausschnitt zeigt und nicht erkennbar ist, ob der Zeuge abgelenkt oder beeinflusst wird. Ein Beispiel hierfür ist die Situation, in der ein Zeuge bei einem Verkehrsunfall eine Unfallskizze anfertigen soll – hier stößt die Videotechnik an ihre praktischen Grenzen.

Onlineverfahren bei Strafprozessen unüblich

Im Strafprozess ist die Verhandlung per Video eher die Ausnahme. Angeklagte, Verteidiger und Staatsanwälte müssen in der Regel persönlich anwesend sein. Zeugen und Sachverständige können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen per Video zugeschaltet werden, etwa bei Krankheit oder wenn ihnen durch die persönliche Vernehmung ein schwerwiegender Nachteil drohen würde.

Steigende Zahlen auch in München und Regensburg

Am Landgericht München I hat sich die Zahl der Videokonferenzen seit 2020 verdoppelt. Während 2022 etwa 1.000 Sitzungen per Video stattfanden, waren es 2024 bereits rund 2.000 Sitzungen. So kam schätzungsweise in jedem fünften Termin die Videokonferenztechnik zum Einsatz. Besonders bei kurzen, formalen Terminen oder bei weiter Anreise wird die Videotechnik genutzt. Komplexere Verhandlungen finden jedoch weiterhin bevorzugt persönlich statt.


Auch am Amtsgericht Regensburg ist ein Anstieg der Videoverhandlungen zu verzeichnen. Hier kommen Videokonferenzen vor allem in Zivil- und Familienverfahren zum Einsatz. Ein Beispiel: Ein Anwalt aus Hamburg kann per Video an einem kurzen Termin in Regensburg teilnehmen, ohne extra anreisen zu müssen.

Oberlandesgericht München: Berufungsverhandlungen per Video

Am Oberlandesgericht München werden im Zivilrecht regelmäßig Berufungsverhandlungen per Videokonferenz durchgeführt. Besonders bei standardisierten Sachverhalten oder dem Austausch von Rechtsargumenten bietet die Technik Vorteile. Sobald jedoch Zeugen einvernommen oder Parteien angehört werden sollen, wird meist die persönliche Anwesenheit bevorzugt.

Kindervernehmungszimmer in Augsburg: Einzigartig in Bayern

Ein besonderes Beispiel für die Digitalisierung ist das Kindervernehmungszimmer in Augsburg. Seit zwei Jahren können Kinder dort in einer kindgerechten Umgebung aussagen. Das Zimmer ist mit einer bunten Couch, Kuscheltier-Fotos und versteckten Kameras ausgestattet. Richter und Anwälte verfolgen die Aussagen per Videoübertragung aus einem Nebenraum. Diese Methode schont die Kinder und wird zunehmend genutzt, etwa um aufwendige Transporte von Häftlingen zu vermeiden.

Chancen und Grenzen der Digitalisierung

Die Digitalisierung der Justiz in Bayern zeigt viele Vorteile: Abläufe werden beschleunigt, Ressourcen geschont und Verhandlungen effizienter gestaltet. Besonders in Zivilverfahren und bei formalen Terminen ist die Videotechnik eine wertvolle Unterstützung. Dennoch gibt es Grenzen, etwa bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen oder bei komplexen Beweisaufnahmen. Hier bleibt der persönliche Eindruck im Gerichtssaal unverzichtbar.