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«Üble Nachrede»: Merz wehrt sich gegen Weidels Lügen-Vorwurf

«Lügenkanzler» und «Wortbruch»: Die AfD attackiert Merz in der ersten Generaldebatte seit der Wahl hart. Der beschwert sich über die «Herabwürdigung». Die SPD geht einen Schritt weiter.

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Bundestag - Haushalt Kay Nietfeld/dpa

Berlin (dpa) - In der ersten Generaldebatte des Bundestags seit der Wahl haben sich die schwarz-rote Regierung und die AfD eine heftige Auseinandersetzung mit Lügenvorwürfen und Forderungen nach einem Parteiverbot geliefert. Während Kanzler Friedrich Merz einen Stimmungsumschwung in Deutschland nach den ersten zwei Monaten seit dem Regierungswechsel beschwor und für Mut und Zuversicht warb, warf die AfD-Fraktionschefin Alice Weidel als Oppositionsführerin dem CDU-Chef Wortbruch vor und bezeichnete ihn als «Lügenkanzler». 

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sah sich durch Weidels Rede in seiner Forderung nach einem AfD-Verbot bestärkt. «Wie kann man so eiseskalt, so hasserfüllt als Mensch eine solche Rede halten, wie Sie das eben getan haben?», fragte er.

Klöckner droht Weidel mit Rauswurf

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) ermahnte Weidel später wegen Zwischenrufen während der Rede von CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn und drohte ihr mit Rauswurf aus dem Plenarsaal. «Wir zwei diskutieren hier nicht. Sonst können Sie den Saal hier verlassen.» Auch andere AfD-Abgeordnete wurden während der Debatte ermahnt.

Die Generalaussprache über den Kanzleretat gilt eigentlich als Höhepunkt der Haushaltsberatungen im Bundestag. Traditionell wird sie von der größten Oppositionsfraktion eröffnet. Deswegen durfte Weidel als erste Rednerin auftreten und nutzte das für einen Frontalangriff gegen den Kanzler. Sie nannte den CDU-Chef «Lügenkanzler» und «Papierkanzler» und warf ihm vor, sich von der SPD vorführen zu lassen. Seine Kanzlerschaft gehe «als größter Wahlbetrug in die deutsche Geschichte ein». 

Weidel: «Ihr Wort ist nichts wert»

Den Vorwurf des «Wortbruchs» begründete sie unter anderem damit, dass das Versprechen einer Stromsteuersenkung für alle aus dem Koalitionsvertrag wegen knapper Kassen zunächst nicht umgesetzt wird. «Ihr Wort ist nichts wert, selbst wenn es schwarz auf weiß in ihrem dürftigen Koalitionsvertrag steht», sagte Weidel. Die schwarz-rote Migrationspolitik kritisierte die AfD-Fraktionschefin als «Schaufensterübungen» und meinte: «Die Islamisierung schreitet rasend und aggressiv voran.» 

Merz: «Pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung» 

Merz wies in seiner Erwiderung die «pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung der Arbeit der neuen Bundesregierung mit aller Entschiedenheit» zurück. «Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen muss auch in einer Demokratie niemand unwidersprochen einfach hinnehmen», sagte der CDU-Chef. 

Miersch: Weidel agiert verfassungsfeindlich

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch reagierte deutlich härter auf die Rede Weidels und warf ihr offenen Rassismus vor. «Sie haben von 'der Transformation des Staatsvolkes' gesprochen. Das erinnert mich an alte Zeiten, wo es um Rassenlehre ging», sagte er in Anspielung auf die Nationalsozialisten von Adolf Hitler. 

Der SPD-Fraktionschef wertete die Rede Weidels als klaren Beleg für die Notwendigkeit eines AfD-Verbotes. «Nicht umsonst haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes auch ein Parteiverbot in die Verfassung aufgenommen. Und ihre Rede heute war ein Beispiel dafür, dass Sie verfassungsfeindlich hier agieren, und deshalb muss es auch ein Verbotsverfahren geben.» 

Ein Verbotsverfahren könnte von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung in die Wege geleitet werden. Die Union ist aber bisher gegen einen solchen Schritt. Weidel sagte in der Debatte, ein Parteiverbot sei der erste Schritt in eine Diktatur.

Kanzler beschwört Stimmungsumschwung

Dem Kanzler ging es in seiner Rede eigentlich darum, nach 65 Tagen im Amt eine erste Bilanz der schwarz-roten Regierungsarbeit zu ziehen und einen Stimmungsumschwung im Land zu beschwören. «Wir lassen uns das von ihnen dort nicht vermiesen», sagte er an die Adresse der AfD.

Schwarz-Rot habe mit der Haushaltsplanung den Grundstein für weitere erhebliche Investitionen im Land gelegt und «die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet». Die Koalition wolle nun allen Menschen in Deutschland, «den Mut und die Zuversicht vermitteln», dass es sich lohne in diesem Land zu arbeiten und es ein großes Glück sei, hier in Frieden und Freiheit zu leben. 

«Wir werden uns von diesem Weg nicht abbringen lassen», betonte der Kanzler. «Wir wollen, dass Deutschland ein offenes ein liberales, ein freiheitliches Land bleibt und wir wollen vor allem, dass Deutschland ein tolerantes Land bleibt.»

Linke: «Haushalt der Hoffnungslosigkeit»

Die viertägige Haushaltsdebatte hatte am Dienstag mit der Einbringung des Etatentwurfs 2025 durch Finanzminister Lars Klingbeil in den Bundestag begonnen. Geplant sind deutlich mehr Investitionen, die vor allem durch wesentlich höhere Schulden finanziert werden sollen.

Die Koalition liefere einen «Haushalt der Hoffnungslosigkeit», sagte Fraktionschefin Heidi Reichinnek dazu. Sie kritisierte die vorgesehene massive Aufrüstung sowie Steuergeschenke für Superreiche und Konzerne. «Jeder Cent, der in die Rüstung fließt, fehlt an anderer Stelle», warnte sie.

Grüne kritisieren Merz' Verhalten in Maskenaffäre

Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisierte vor allem die Klimapolitik der Koalition und thematisierte die umstrittenen Maskenkäufen in der Corona-Zeit des damaligen Gesundheitsministers und heutigen Unionsfraktionschefs Spahn. Dem Kanzler warf sie vor, dabei wegzuschauen. 

Spahn selbst verteidigte dagegen seinen damaligen Kurs und wies die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss zurück. «Wir haben dieses Land nach bestem Wissen und Gewissen durch die größte Krise seiner bundesrepublikanischen Geschichte geführt und das sicher und mit klarem Kurs.», sagte der CDU-Politiker.

© dpa-infocom, dpa:250709-930-775560/6