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ANTENNE BAYERN Interview mit Staatskanzleichef Florian Herrmann

Würde Herrmann die Corona-Beschränkungen mit dem heutigen Wissen nochmal so umsetzen? Wie will er Bayerns Wirtschaft stärken und wie steht er zu Flüchtlingen? Die Antworten lest ihr im ANTENNE BAYERN Interview.

Florian Herrmann spricht Bayern Foto: Matthias Balk/dpa

Florian Herrmann ist Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, er gilt als rechte Hand von Ministerpräsident Söder. Die Flugblatt-Affäre um Wirtschaftsminister Aiwanger sieht Herrmann als erledigt an, nachdem Söder entschieden hat, Aiwanger im Amt zu belassen. Herrmann betont, dass die CSU keine Koalition mit den Grünen eingehen wird und die Zusammenarbeit mit den Freien Wählern fortsetzen will. Den Höhenflug der Freien Wähler in den Umfragen nennt Herrmann eine "Fieberkurve, die jetzt einen Ausschlag nach oben hat, aber dann vermutlich auch wieder runtergehen wird."

Die Corona-Maßnahmen haben unser Leben, unsere Grundrechte so beeinflusst wie kaum etwas davor. Mit dem Wissen, was Sie jetzt haben, über all die Folgen der Maßnahmen, gerade für junge Menschen, würden sie das nochmal genauso machen?

Corona war eine Situation, die über uns gekommen ist, völlig unerwartet und insbesondere ohne Blaupausen. Wir konnten nicht die Schublade aufziehen und das Handbuch für eine tödliche Masseninfektionskrankheit mit weltweiten Auswirkungen herausziehen und dann einfach die Checkliste Stück für Stück abarbeiten. Das war ein Prozess, erstens der Erkenntnis, zweitens des Lernens, drittens des sich Beratens mit Expertinnen und Experten der unterschiedlichsten Fachrichtungen, um dann für die jeweilige Situation die beste Lösung herauszufiltern. Ich glaube, dass uns das unter dem Strich auch gelungen ist, denn wir haben nach den Schätzungen und Berechnungen unseres Landesamts für Gesundheit über 130.000 Menschen vor einer schwersten Erkrankung, vor dem Tod bewahren können. Dass man im Nachhinein betrachtet an der ein oder anderen Stelle sagen kann, "da hätte man vielleicht leicht so oder leicht so anders steuern können", ist eine Selbstverständlichkeit, weil man nachher immer schlauer ist. Der entscheidende Punkt ist aber, dass man in der Situation noch nicht die Erkenntnis hat, die man dann aus der Nachbetrachtung hat - das nennt man häufig auch das sogenannte Präventionsparadox, weil man Maßnahmen ergreift, die dann Wirkung entfalten und man sich dann nachher fragt, "hätte man das überhaupt machen müssen, ist ja nichts passiert". Aber es ist eben nichts passiert, wegen der Maßnahme, die man ergriffen hat. Da muss man im Rückblick sagen, dass wir, auch dank des Mitmachens unserer Bevölkerung, die vernünftig und mit Augenmaß die Dinge betrieben haben, wirklich gut durch diese Krise gekommen sind.

Die Energiepreise sind immer noch hoch, viel höher als vor dem Krieg. Kritiker sagen, Bayern ist schuld, weil die Erneuerbaren Energien und die Stromleitungen nicht ausgebaut wurden über Jahre. Was entgegnen Sie?

Dass es natürlich eine sehr simplizistische Betrachtung ist, die eher in das Reich von Fake News gehört, als in echte politische Analyse. Denn Tatsache ist, es gibt bisher noch nirgendwo die fertigen Stromleitungen, es ist ja nicht so, dass Bayern da ein weißer Fleck ist. Jetzt findet der Bau statt, nachdem es auch, eben aufgrund bayerischer Initiativen, möglich war, die Leitungen unter der Erde zu verbauen, was eben wesentlich mehr Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Dass wir bei den Erneuerbaren hinten dran seien, ist immer die größte Fake News-Behauptung, die gemacht wird. Das stimmt schlichtweg nicht, wir sind was die installierte Leistung betrifft bei allen erneuerbaren Energieträgern Platz Nummer 1, außer bei der Windkraft, da liegen wir genau im Mittelfeld. Das heißt, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, aber wir wollen und wissen auch, dass wir noch bei den Erneuerbaren kräftig ausbauen müssen.

Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft warnt vor einer Deindustrialisierung und sagt, viele Unternehmen investieren nur noch im Ausland statt bei uns. Was können Sie dagegen unternehmen?

Der Analyse würde ich zustimmen. Das ist tatsächlich eine Gefahr, dass aufgrund von zu teurer Energiepreise, gerade die Industriezweige, die auf günstigen Strom angewiesen sind, die nächste Investition nicht mehr in Bayern oder Deutschland machen, sondern anderswo auf der Welt. Das führt eben langfristig zu einer Schwächung des Industriestandorts und somit des Wirtschaftsstandorts insgesamt. Das ist auch der Grund warum wir tatsächlich dafür sind, einen Industriestrompreis einzuführen, der sich aber auch auf mittelständische Unternehmen erstrecken müsste, die auch einen hohen Energie- oder Strombedarf haben. Auf der anderen Seite tun wir relativ viel für die Attraktivität des Standorts Bayern, indem wir unsere Hightech-Agenda voran bringen. Das ist ein Investitionsprogramm im Umfang von 5,5 Milliarden Euro, das insbesondere in die neusten und zukunftsgerichteten Technologien mit enormen Beträgen investiert. Hier sind zum Beispiel Quantencomputing, künstliche Intelligenz, aber auch die "Life Sciences", die Lebenswissenschaften, in Martinsried zu nennen, um dieses gesamte wissenschaftlich-technische, innovative Ecosystem, das wir eben in Bayern haben, attraktiv zu halten und auch für die Zukunft attraktiv zu machen. Das führt aktuell dazu, dass sich große internationale Unternehmen, wie zum Beispiel Apple oder Meta, für den Standort Bayern entscheiden. Das find ich ein gutes Zeichen und deshalb gehen wir diesen Weg weiter, auch wenn Energie und Lebenserhaltung teurer sind. Das Gesamtumfeld ist so gut, dass sich die Unternehmen für den Freistaat entscheiden

Die Flüchtlingssituation ist auch ein großes Thema in Bayern. Die Kommunen sagen, wir können nicht mehr. Was muss passieren?

Für uns gibt es einen ganz klaren Weg bei der Bewältigung der Migration. Ich glaube, dass ist auch das, was jeder normale Mensch im Land denkt, nämlich Humanität und Ordnung. Das heißt, Humanität im Umgang mit den Menschen, die sich aus Gründen der Verfolgung oder auch aus Gründen des Bürgerkriegs im Heimatland auf den Weg machen, um dem zu entgehen. Da ist glaube ich der große Konsens in der Bevölkerung, dass man den Menschen natürlich mit Gastfreundschaft und Nächstenliebe entgegentreten muss. Auf der anderen Seite, muss das Ganze in geordneten Verfahren ablaufen. Natürlich muss unterschieden werden zwischen denjenigen, die aus solchen Gründen verständlicherweise kommen und den anderen, die diese Gründe nicht haben. Die Bundesregierung tut das nicht. Es finden überhaupt keinerlei Maßnahmen statt, um das zu begrenzen. Jetzt können wir in Richtung Bund jammern und sagen "macht halt mal", tun die aber nicht, was ihre Pflicht und wichtig wäre. Also müssen wir auf der bayerischen Seite das tun, was wir tun können. Das ist zum einen, die Kommunen bei der Bewältigung dieser hohen Zahlen unterstützen. Wenn man sich mal vorstellt, dass das heuer schon 200.000 Menschen waren, die nach Deutschland gekommen sind und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Auf der anderen Seite, beispielsweise durch unsere Grenzpolizei im Rahmen der Schleierfahndung, deutlich machen, dass nicht jeder einfach kommen kann, sondern da finden dann auch Aufgriffe statt. Dann müssen im Zuge dessen, die Rückführungen beschleunigt werden, das Abschieben muss beschleunigt werden, sodass insgesamt das Verhältnis wieder passt, damit die Bürgerinnen und Bürger auch das Gefühl haben, Humanität und Ordnung halten sich die Waage.

Das ganze Interview hört ihr hier